Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
in der Tat waren seine Gründe schwer abzuweisen. Dennoch mußte Rasinski den äußersten Verdacht gegen ihn hegen. Er befahl daher, ihn zu binden und, wenn er ausrücken würde, auf einem Reservepferd mitzuführen.
    »Sehe ich an den Bewegungen der Feinde,« redete er den Juden an, als dieser abgeführt wurde, »daß er Kundschaft erhalten hat, so bist du zum Galgen reif und sollst ihm nicht entgehen. Hast du ihm nichts verraten oder verraten können, so magst du laufen, bis andere dich hängen; denn jenseit Liady seid ihr doch nicht zu gebrauchen, weil der Russe euer ganzes, Blut und Mark der Armen aussaugendes Geschlecht in seinem Lande nicht duldet, das einzige, das ich gut an diesem Volke nennen kann. Nun fort! Bewacht ihn wohl!« So wurde der Jude jammernd und wehklagend unter dem Hohn und Spott der übermütigen Soldaten in Gewahrsam gebracht; denn so verachtet ist das schnöde, aber leider unentbehrliche Handwerk des Spions, daß selbst diejenigen, denen er nutzt, ihn lieber mißhandelt als belohnt sehen.

Zweites Kapitel.
    Mit Tagesanbruch war das ganze französische Heer wieder in Marsch. Rasinski hatte den Befehl erhalten, sich der Avantgarde unter dem Könige von Neapel anzuschließen. Auf einem Seitenwege, den Isaak angab, gewann er so viel Terrain, daß er an den langen Kolonnen Infanterie, die unter dem Marschall Davoust standen, vorbeikommen und ohne weitere Hindernisse an dem Punkt seiner Bestimmung eintreffen konnte. Hier fand man den Prinzen Murat schon von seinen Generalstabsoffizieren umgeben, wie er mit raschen Blicken das Terrain, welches vor ihm ausgebreitet war, musterte. Rasinski ritt zu ihm heran, um sich zu melden und dem Könige die Nachricht mitzuteilen, die er der Kundschaft Isaaks verdankte, zugleich aber auch die Befürchtungen, welche er hegte, daß der Spion sich einer doppelten Maske bedient, und vielleicht noch mehr dem Feinde als dem Heere des Kaisers genutzt habe.
    »Wenn nur das richtig ist,« antwortete der Prinz, »welches der Jude Ihnen angegeben hat, so kann schnelles Handeln noch alles retten. Wir müssen das Korps des Generals Newerowskoi abschneiden, vernichten und Smolensk auf diese Art früher erreichen als er. Das Hauptheer des Feindes kann unmöglich aus seinen Standquartieren die Festung so rasch gewinnen, daß wir ihm nicht zuvorkommen sollten. Es ist der Augenblick, wo wir den Feldzug des ganzen Jahres entscheiden können. Doch Schnelligkeit ist jetzt unsere nächste Pflicht; wir wollen sie erfüllen.«
    Diese Worte waren auch das Signal zum Aufbruch. Der Marsch der Hauptarmee ging am Dnjepr entlang, jedoch so, daß zwischen dem Fluß und der großen Straße noch ein bedeutender Raum blieb. Rasinski marschierte mit seinem Regimente zunächst dem Flusse; er sandte Patrouillen voraus, welche Jaromir, und auf die rechte Flanke, die ein jüngerer Offizier befehligte; zur Linken gewährte der Strom hinlängliche Deckung.
    »Ein verdrießliches Geschäft,« sprach Rasinski im Reiten zu Ludwig, »so dem flüchtigen Feinde nachzuziehen und ihn nicht erreichen zu können. Hier müssen Kosaken dicht vor uns gewesen sein, denn die Spuren sind ganz frisch und rühren von unbeschlagenen Pferden mit kleinen Hufen her. Ihnen verdanken wir vermutlich, daß alle Stege und Brücken abgebrochen sind, und wir durch alle diese Regenwasser hindurchreiten müssen. Doch, was gibt's dort! Jaromir schickt uns eine Meldung.« Man sah einen Ulanen heransprengen, dem Rasinski entgegengaloppierte, um die Nachricht früher zu erhalten. Jaromir ließ sagen, daß er in dem Augenblicke, wo er den Gipfel eines Hügels hinaufgekommen sei, zwei Kosaken entdeckt habe, die aber in einen vorwärts gelegenen Busch verschwanden und aller Vermutung nach zu einem stärkern Trupp gehörten.
    »Hätten wir sie endlich!« rief Rasinski mit freudefunkelnden Augen, und befahl im Trabe vorzurücken. Das Regiment rasselte die Anhöhe hinan, von der man vor sich ein weites, flaches Terrain überblickte, welches nur durch jenes kleine Gebüsch unterbrochen wurde. Dasselbe schien kaum einige hundert Schritte Tiefe zu haben, und war auch nicht viel breiter; doch verdeckte es die Aussicht. Die Patrouillen wurden herangezogen, und man rückte in geschlossenen Reihen rasch vorwärts. Dicht an dem Busche teilte Rasinski das Regiment und ließ eine Schwadron links, die andere rechts um das Gebüsch reiten, während er selbst mit den übrigen den geraden Weg durch die Mitte desselben verfolgte, jedoch etwas langsamer, damit

Weitere Kostenlose Bücher