Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
man zu gleicher Zeit jenseit das Freie erreichte. Noch frisch dampfender Roßmist, den man im Wege fand, gewährte, nebst den vielen Spuren von Hufen ohne Eisen, die Gewißheit, daß erst einige Minuten zuvor ein starker Trupp Kosaken durch den Wald gekommen sein mußte. Jetzt öffnete sich derselbe, und man sah durch die lichter werdenden Bäume das freie Feld. »Wahrhaftig, da sind sie,« rief Rasinski und deutete mit dem Finger nach vorn, wo man viele Lanzenspitzen über ein Getreidefeld hervorragen sah; »nun, jetzt sollen sie uns nicht entwischen. Blast zum Angriff!«
    Die Trompete ertönte. Wie die Windsbraut brachen die Streitmassen aus dem Walde hervor. »In Zügen rechts und links marschiert auf!« kommandierte Rasinski, als er das Freie erreicht hatte, und die tiefen Kolonnen verwandelten sich in eine breite Front. Die beiden Schwadronen, welche um den Busch herumgeritten waren, wurden auch wieder an dem Saume desselben sichtbar und schlossen sich, frühern Befehlen folgend, sogleich im gestreckten Galopp der Masse an. Das Getöse, welches ein auf diese Weise vorrückendes Kavallerieregiment erregt, mußte den Kosaken, die ruhig vorwärts ritten, weil sie den Feind nicht so nahe vermuteten, plötzlich dessen Gegenwart verraten. Ein Gefecht schien nicht in ihrer Absicht zu liegen; sie setzten ihre Pferde in Bewegung und ritten vollen Laufes vorwärts, bis sie in dem von Büschen und Hügeln durchschnittenen Terrain verschwanden.
    Als der Staub, den die Flüchtenden verursacht hatten, sich gesenkt hatte, erblickte man eine kleine Stadt, die kaum noch eine Stunde entfernt sein mochte. »Das muß Krasnoi sein«, sprach Rasinski. »Wo ist der Jude Isaak, er soll uns Auskunft geben.« Isaak hatte bis dahin, mit gebundenen Händen auf einem Troßpferde sitzend, dem Regimente mit den Troßknechten und Dienern folgen müssen. Bei diesen suchte man ihn auch jetzt, doch vergeblich; es war ihm geglückt, in dem Getümmel des Verfolgens zu entwischen.
    »So haben uns die Kosaken doch einen Schaden zugefügt,« sprach Rasinski verdrießlich; »dem Juden hätte ich den Galgen gern gegönnt.«
    Indessen hatte sich doch ein Gefecht eines Teils der Infanterie und einiger leichten Kavallerie mit dem Korps des Generals Newerowskoi entsponnen, der nach tapferer Gegenwehr geworfen wurde. Mit der sinkenden Sonne rückte Rasinskis Regiment ins Lager ein. Eben hatte man sich's an einem großen Feuer behaglich gemacht, als unvermutet der Donner der Kanonen ertönte. Alles geriet in Bewegung, doch erfuhr man bald, daß es nur Freudenschüsse waren, die man hörte. Sie galten dem siegreichen Gefecht mit den Russen und dem Geburtstage des Kaisers. »Wahrlich!« rief Rasinski aus, »fast hätte ich's vergessen, daß wir heute den 15. August schreiben. Diese Ehrensalve ist etwas wert, denn sie wird mit russischem, heute erbeutetem Pulver gebracht. Laßt uns denn auch den Tag nicht vergessen, Freunde, sondern im fröhlichen Kreise auf das Wohl des Kaisers trinken.«
    Die Einladung wurde mit Freuden angenommen. Ein großes Feuer loderte empor; ringsum lagerten sich die Offiziere des Regiments und Ludwig und Bernhard, die stets als zu ihm gehörig von Rasinski betrachtet wurden. »Unsere Trinkgeschirre sind freilich nicht die glänzendsten,« sprach Rasinski, als jedem das Glas, der Becher oder was er sonst zur Hand hatte, gefüllt war; »die Tafel ist auch nicht überreich besetzt, allein die Gäste, denke ich, sind so stattlich, als sie jemals in einem Prunksaale beisammengesessen haben. So heiße ich euch denn willkommen, meine Kameraden!« Plötzlich wurden seine Züge ernst; mit Hoheit trat er vor den Kreis der gelagerten Brüder, stützte sich mit der Linken auf den Säbel und hielt in der Rechten den gefüllten Becher empor. Dann begann er mit feierlicher Stimme: »Freunde! Seit langen Jahren betreten wir heute, geführt durch den großen Kaiser der Franzosen, zum ersten Male wieder das Gebiet des alten Rußland mit den Waffen in der Hand! Wir stehen auf dem Boden, wo unsere Väter vordem so manche ruhmreiche Schlacht mit dem verhaßten Nachbar fochten. Erinnert euch, Brüder, daß es eine Zeit gab, wo Polens Fahnen in Moskau auf dem Kreml wehten, wo unsere Woiwoden den Russen ihren Zar gaben. Der Zar Boris Godunow, der die alte Stadt Smolensk, welche dort hinter jenem Hügel von dem Dunkel der Nacht bedeckt wird, gründete, und die Mauer mit ihren Türmen erbaute, welche wir morgen vielleicht im Sturm ersteigen – jener Zar Boris

Weitere Kostenlose Bücher