Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
Höhe, vom Gebüsch verdeckt, hinunterziehen; so kommen wir bis auf Kanonenschußweite unbemerkt vor die Stadt. Ich fürchte, ich fürchte,« setzte er mit besorglicher Stimme hinzu, »wir werden hier einen harten Kampf zu bestehen haben. Seht ihr dort die Staubwolken auf den Hügeln jenseit des Dnjepr? Das können keine Truppen unsers Heeres sein! Ich wollte, der Jude säße im Schwefelpfuhl der Hölle, denn ich kann nicht anders glauben, als er hat die Absicht des Kaisers zu erlauschen oder zu erraten gewußt und Barclay benachrichtigt. Meinen Kopf will ich verwetten, es sind die Kolonnen der russischen Hauptarmee, die dort heranrücken!«
    »Nun, dann wäre ja die erwünschte Schlacht da!« entgegnete Bernhard mit fragender Miene, um sich näher über Rasinskis Besorgnisse belehren zulassen.
    »Vielleicht, aber noch nicht gewiß. Jedenfalls aber unter viel ungünstigern Umständen, als wenn wir Smolensk früher erreicht, es besetzt und so dem Feinde die Straße nach Moskau abgeschnitten hätten. Dann müßte er uns die Festung entreißen, jetzt werden wir Tausende von Menschen davor opfern müssen. Wenn es nur gelungen wäre, Newerowskoi abzuschneiden; so hätten wir doch noch den Vorsprung gewonnen!« Unruhig sprengte Rasinski allein vor, auf einen nahe liegenden Hügel, der eine freiere Aussicht gewährte. Währenddessen zog das Regiment auf dem angedeuteten Wege, der sich in weiten Krümmungen der Stadt näherte, vorwärts.
    Die Gegend ist doch nicht ganz unschön«, sprach Ludwig zu Bernhard, als eben eine Lücke in der Waldung einen weiten Blick in das Tal des Dnjepr gestattete. »Siehst du dort das Schloß jenseit des Flusses am Hügel?« – »Allerdings,« entgegnete Bernhard; »ein stattliches Gebäude. Es scheint von seltsamer, altertümlicher Bauart, soviel man von hier sehen kann. Vielleicht werden wir nächstens darin übernachten, denn es wird, samt dem ansehnlichen Dorf, welches sich dort zur Seite ausdehnt, wahrscheinlich ebenso verlassen sein wie alle die Orte, durch die wir bisher zogen!«
    »Freilich eine traurige Wüste, durch die wir wandern!« entgegnete Ludwig. »Doch jenes Schloß übt einen höchst besondern Eindruck auf mich aus. Ich finde hier zum ersten Male, daß die Ferne, die Fremdartigkeit ihren Einfluß mächtig geltend machen. Die Bauart, die Lage, alles spricht mich ganz eigentümlich und seltsam an.«
    »Auch in mir sprühen einige Funken abenteuerlich romantischer Anwandelungen auf«, warf Bernhard hin. »Wie, wenn dort eine reizende Fürstin wohnte, oder wenn das Schloß gestürmt würde, in Flammen aufginge, und wir ein liebliches Wesen von unbegreiflicher Schönheit aus den rauchenden Trümmern retteten? Mir deucht, ich sehe ordentlich schon die rote Glut um die seltsamen Turmspitzen lecken.«
    »Scherze nicht frevelhaft«, sprach Ludwig ernst. »Deine Prophezeiung könnte wenigstens insoweit wahr werden, als das furchtbare Unheil über die unglücklichen Bewohner wirklich hereinbräche.«
    »Leicht möglich, daß sie selbst die Brandfackel unter ihren Dachstuhl stecken; denn das Schloß liegt, wie es mir von hier scheint, nicht fern von der Landstraße, die sich am andern Ufer des Dnjepr hinabzieht, und bisher haben wir an der Straße nicht viel unverwüstete Dörfer und Schlösser getroffen. Es scheint, daß uns die Russen leichter eine verödete Provinz als eine unzerstörte Stadt einräumen. Doch da kommt ja Rasinski mit verhängtem Zügel wieder zurückgesprengt.« In der Tat ritt er heran, daß das Pferd wild aus den Nüstern schnaubte und der Staub sich hoch hinter ihm aufwirbelte. Er winkte von fern mit dem Säbel. Sein nächster Stellvertreter, Major Negolinski, verstand das Zeichen und ließ das Regiment im Galopp vorrücken. Man mußte eine Talsenkung hinunter und dann gegenüber die leichte Anhöhe hinauf. In wenigen Minuten war sie erreicht. Jetzt hatte man Smolensk ganz nahe vor sich; zugleich aber übersah man die Landschaft weithin und entdeckte die verschiedenen Korps der großen Armee, die bereits an mehreren Punkten bis auf Kanonenschußweite vor die Stadt gerückt waren. Jenseit des Flusses aber erblickte man zahllose russische Kolonnen, die im höchsten Eilmarsch gegen Smolensk heranrückten, um es zu besetzen, ehe das französische Heer sich der Stadt bemächtigt hatte. »Vorwärts! vorwärts!« schrie Rasinski. »Ins Tal hinunter, am Fluß hinauf, vielleicht gelingt es uns, den Feind zu überraschen.« Er sprengte selbst wiederum weit voraus, als ob er

Weitere Kostenlose Bücher