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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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der Stand, den wir wählten, eigentlich unser Leben beschützt; so wird es für uns eine verdoppelte Pflicht, das Heiligtum seiner Ehre unverletzt zu erhalten. Und dann, Bernhard, diesen einen Weg des Todes willst du versperren; was aber tust du mit den tausend andern, auf denen er zu uns dringen kann? Erfülle dich mit dem gläubigen Vertrauen, das Marie selbst empfindet! Sie fordert nicht, daß ich die Gefahr meiden soll, doch ihre heldenmütige Seele vertraut darauf, daß eine höhere Macht mich beschirmen werde. Und würdest du denn mich und Rasinski und Jaromir und Boleslaw in die Schlacht ziehen sehen können und wohlgesichert aus der Ferne zuschauen, wie das Schwert des Todes über den Häuptern der Freunde schwebte? Bernhard, frage deine eigene Seele und gib dir selbst die Antwort.«
    »Recht hast du freilich; aber könnte ich das Unrechte für dich tun, ich täte es dennoch. Wäre ich an Rasinskis Stelle, ich ließe dich heute unter einem Vorwande in Ketten und Banden zehn Tagemärsche zurück ins Gefängnis schicken.« – »Du tätest es gewiß nicht«, sprach Ludwig und lächelte gerührt.– »So laufe denn das Rad des Schicksals!« rief Bernhard und stampfte unwillig mit dem Fuße. »Es zermalme, wen es will! Das aber sage ich dir, es soll nicht Raum finden zwischen mir und dir hindurchzurollen! – Kommen dort nicht Jaromir und Boleslaw herauf?«
    Sie waren es. Rasinski hatte ihnen Ludwigs trübes Geschick erzählt; mitleidig kamen sie, um dem Freunde ihre Liebe zu zeigen. Der jugendliche, leicht bewegte Jaromir bezwang eine Träne nicht; Boleslaw, durch eigenes stummes Dulden gehärteter, vermochte nur sanften Ernst zu zeigen. Sie gingen zusammen den Hügel hinab, um sich an dem Wachtfeuer vor Rasinskis Hütte zu lagern, wohin dieser alle Offiziere des Regiments beschieden hatte, weil es seine Gewohnheit war, den Abend vor der Schlacht soviel als möglich in der nächsten Vertraulichkeit mit allen seinen Kameraden zu leben. Die Sonne mußte hinab sein; seit Mittag schon war sie hinter dem grauen Gewölk verborgen. Die Nacht kam empfindlich kalt herauf, so daß selbst das Feuer und die dichten Mäntel der Gelagerten die Schauer des Frostes nicht ganz abzuhalten vermochten. Der ganze Tag war in dumpfer Todesstille vergangen, gewissermaßen nach einer schweigenden Übereinkunft zwischen den beiden furchtbaren, einander gegenüber gelagerten Heeren. Es schien, man wolle sich die kurze Ruhe gönnen, um am nächsten Morgen mit desto gestärktern Kräften den erbitterten Vertilgungskampf beginnen zu können. Diese schwer auf der Brust lastende, alle frischern Lebensregungen lähmende Lautlosigkeit wurde durch die Stimmung jedes einzelnen noch vermehrt; denn jeder ging natürlich dem gewaltigen Ereignis mit ernster Brust entgegen. So wollte auch das Gespräch der im Kreise gelagerten Kameraden nicht lebhaft werden. Selbst wenn Ludwig und diejenigen, die ihm zunächst standen, nicht besondere Ursachen zu jenen schweigend in sich zurückkehrenden Betrachtungen gehabt hätten, so würde dennoch keine freie, kriegerisch sorglose Heiterkeit geherrscht haben. Die Zukunft rückte zu bedeutungsvoll heran; der Himmel war zu düster verhangen, seine Donner grollten zu unheimlich in der Ferne, um einen freien Schlag des Herzens zu gestatten. Vergeblich versuchte es Rasinski, bald durch einen Toast, bald durch die Erinnerung an ein früheres bedeutendes Erlebnis, bald durch Anregung schöner Hoffnungen, eine lebhaftere Bewegung in die Freunde zu bringen; einen Augenblick entzündete sich der Anteil, aber nach wenigen Minuten war jeder wieder zu den Gedanken und Besorgnissen in seiner Brust zurückgekehrt.
    Die Dämmerung graute schon, als ein plötzlicher Kanonenschuß aus dem feindlichen Lager her die äußere und innere Stille unterbrach. Man sprang auf, man forschte, fragte. In solchen Stunden, unter solchen Umständen ist ein Schuß fast immer das Zeichen eines wichtigen Ereignisses; jeder hielt ihn für eine Warnung, auf alles gefaßt zu sein. Allein diesmal war die Spannung auf etwas Wichtiges vergeblich gewesen; doch schon nach wenigen Minuten erfuhr man, daß dieser einzige Schuß verhängnisvoll und entscheidend für den ganzen Krieg hätte werden können. Denn er war auf eine Gruppe von Reitern geschehen, unter denen sich der Kaiser befand, welcher, von der Unruhe gefoltert, das russische Heer könne abermals durch stillen, nächtlichen Abzug seine Hoffnung auf eine Schlacht täuschen, sich auf das Pferd

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