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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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gestern,« sprach Bernhard zu Ludwig; »beim Teufel, es ist mir lieb, daß ich dich jetzt neben mir reiten sehe!« Diese Worte stieß er fast wild heraus; Ludwig erkannte indessen wohl, daß er nur die ihn überwältigende Rührung und Erschütterung, die der Anblick des Schlachtfeldes in ihm erregt hatte, hinter dieser rauhen Larve verbarg.
    »Nun wird man's bald gewohnt werden, und dabei einschlafen können wie Missetäter auf der Tortur, wenn sie lange gemartert worden«, fuhr Bernhard fort. »Der Mensch ist fürchterlich gelehrig in der Kunst der Erbarmungslosigkeit. Ich fange schon an, mir alles abzuschütteln wie Schnee von einem Mantel.« In der Tat machte er dabei eine Bewegung des Körpers, die diesen Worten entsprach; seine Züge aber verrieten, daß er die Schauer, die ihn heftig erfaßten, auf diese Weise verbergen wollte.
    »O, wenn es uns gelänge, die Leiche des alten braven Graubarts Petrowski aufzufinden«, sprach Rasinski, indem er den Blick aufmerksam über das Feld warf und die Toten seines Regiments einzeln scharf betrachtete. »In dieser Gegend sah ich ihn fallen. Verwundete sehe ich zum Glück nicht mehr hier; es war freilich der Teil des Schlachtfeldes, den wir am frühesten behaupteten, und hier konnte schon zeitig Hilfe geleistet werden. Aber ist das nicht Jaromir, der dort so hastig heransprengt?« Man erkannte ihn an einem weit leuchtenden Falben, den er seit gestern ritt, wo er zwei Pferde verloren hatte. Als er näher gekommen war, so daß er bemerkt wurde, winkte er mit dem Säbel zu sich heran. Im Felde ist man immer auf wichtige Botschaft gefaßt, deshalb eilte Rasinski, ihm entgegenzukommen; Ludwig und Bernhard blieben natürlich nicht zurück. »Wir marschieren, Rasinski«, rief Jaromir. »Soeben ist der Befehl gekommen«, fuhr er fort, indem sie langsam zusammen weiterritten, da die vielen Leichen und Trümmer noch keine schnellere Bewegung erlaubten. »Boleslaw ist schon fort mit dem Überreste des Regiments. Ich blieb, um dich aufzusuchen; sie nehmen die Straße über Utiza. Wir sollen die Seitenwege der alten Straße nach Moskau rekognoszieren, weil man glaubt, daß sich die Russen dorthin gezogen haben und auf Kaluga und Tula marschieren.« – »Wer hat den Befehl gebracht?« – »Ein Adjutant des Königs von Neapel.« – »Habt ihr Furage gefunden?« – Jaromir schüttelte den Kopf. – »Also die Pferde hungern?« –»Etwas Heu und halbgewelktes Gras war alles, was wir auftreiben konnten, doch hoffen wir in den Dörfern rechts der Straße noch Vorrat zu finden.« – »Und wie sind die Leute?«
    »Ausgeruht, doch nicht genug; unternehmend, aber nicht fröhlich. Der Sieg ist zu unvollständig. Sie wissen, daß man nur 800 Gefangene hat, und man sollte nach einer solchen Schlacht doch doppelt soviel Tausende erwarten; die vierundzwanzig schweren Kanonen und etliche Feldstücke sind die einzige Beute, die man gemacht hat.« – »Und dafür siebzigtausend Tote und Verwundete!« sprach Rasinski düster. – »Doch auf beiden Seiten«, entgegnete Jaromir.
    »O, wir haben an der Hälfte, die auf uns fällt, auch doppelt genug. Ein fürchterlicher Sieg! Zweiundvierzig Generale sind geblieben, unter ihnen Caulaincourt und Montbrun. Auch Marschall Davoust ist verwundet.« – »Aber nicht gefährlich!«
    Rasinski entgegnete nichts weiter, denn man hatte jetzt ein freies Terrain erreicht und sprengte rasch darüber hin, um sich dem Regiment wieder anzuschließen und aufs neue in das brausende Meer kriegerischer Tätigkeit zu stürzen.
    So sind die wilden Schrecken des Krieges der Arzt ihrer eigenen Zerstörung; denn in dem stets fortbrausenden Getümmel wird die klagende Stimme der Brust so übertäubt, daß sie sich selbst nicht mehr vernimmt. Wer kann, solange der Sturm sich mit unaufhörlich erneutem Grimm auf das schwankende Fahrzeug stürzt, die betrauern, welche er hinabgerissen hat in die Wirbel des Meeres? Die Seele selbst braust ja in stürmenden Wogen auf; erst wenn diese beruhigter wallen, vermag sie die Bilder des Lebens wieder klar in sich abzuspiegeln. Dann aber ruht auch schon, so hat es die ewige Güte geordnet, in ihrer Tiefe wieder das reine, treue Blau des Himmels, wo das glaubende Herz jeden Trost findet, den es sucht.

Achtes Buch.
Erstes Kapitel.
    Am 14. September erreichten die ersten Reiterscharen des Heeres, zu denen auch Rasinski mit dem kleinen Überreste seiner Freunde gehörte, den Berg des Heils , von dem sie das prächtige Moskau, den alten

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