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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Bernhard eingetreten war und, in der halboffenen Tür stehen bleibend, ihn beobachtete. Dieser aber sah durch die tiefe Dämmerung die Tränen in Ludwigs Auge glänzen, in denen sich der flackernde Feuerschein spiegelte. »So in düstere Gedanken versunken, Kriegskamerad?« redete er ihn an. – »Ach, Bernhard,« sprach Ludwig, »du bist es? Jawohl, in düstere Gedanken versenkt! Wie könnte man es anders an diesem schauerlichen Orte, und mit einer Brust voll Erinnerungen und Schmerzen wie die meinige!«
    »Hm,« warf Bernhard hin, »mein Herz ist auch gerade kein Füllhorn der Wonne und des Glücks, und wenn ich mit meinen Erinnerungen laterna magica spiele, so zieht der Teufel und seine Großmutter an der Wand vorüber. Aber was den schauerlichen Ort anlangt, so muß ich dir sagen, daß er mir noch eher unheimlich vorkommt.« – »Wieso?« – »Wir wohnen nicht allein im Hause, darauf möchte ich schwören.« – »Was hast du für Gründe zu dieser Vermutung?« – »Mancherlei. Ich ging durch die langen Korridore nach dem Querflügel, der auf den Garten stößt. Wie ich so eine Tür nach der andern anklinke, die alle verschlossen oder verriegelt waren, komme ich auch an eine, die sich sogleich öffnet. Ich trete ein und fühle mich durch eine behagliche Wärme überrascht; das fällt mir auf, ich schaue umher und finde, daß ich in einer Art von Küche stehe, wo auf dem Herde noch Asche liegt. Ich trete hinzu; die Asche ist warm, ja ich entdecke, als ich mit meinem Säbel darin schüre, noch einige schwach glimmende Kohlen.«
    »Die Bewohner werden diesen Morgen noch hier gewesen sein.«
    »So dachte ich auch; da aber höre ich plötzlich unter mir ein dumpfes Geräusch, wie wenn etwas Schweres fiele. Das macht mich stutzig. Ich eile wieder auf den Korridor, entdecke eine kleine Treppe, die ins untere Geschoß hinabführt, und finde dort ebenfalls einen Korridor, an welchen sich eine Reihe Gemächer mit verschlossenen Türen anschließt. Ich versuche sie zu öffnen, zu sprengen; sie sind, scheint es, fest verrammelt. Ich poche, rufe, lärme; keine Antwort. Endlich bin ich des Dinges überdrüssig und gehe. Als ich die kleine Treppe wieder hinaufsteige, höre ich aber etwas rauschen und zugleich Schritte wie von einem weiblichen Fuß. Schnell eile ich hinauf, entdecke aber nichts. Überzeugt, daß mein leises Ohr mich nicht getäuscht hat, spähe ich überall umher. Da sehe ich am Boden, dicht vor der Tür der Küche, wo ich zuvor gewesen war, etwas Weißes schimmern; ich hebe es auf, und siehe, es ist diese Bandschleife, die zuvor, darauf wollte ich einen Eid schwören, nicht dort gelegen hat. Ich forsche und spähe darauf ringsumher, um die Schöne zu entdecken, die das Band verloren haben müßte, doch vergeblich. Alles blieb stumm, alles verschlossen. Ob es nun ein guter oder böser Geist, eine Ahnfrau oder gar die berüchtigte Weiße Frau gewesen sein mag, die in den öden Gängen umhergewandelt ist, das will ich unentschieden lassen.«
    »Hm, sonderbar!« sprach Ludwig sinnend. »Sollten sich vielleicht die unglücklichen Einwohner versteckt halten aus Furcht vor Mißhandlungen?«
    »Möglich! Doch halte ich's lieber mit Gespenstern, verwünschten Fräuleins, die auf Erlösung harren, eingemauerten Nonnen, deren Seele keine Ruhe finden kann und die in den öden Gängen umherkreuzen. Um Mitternacht müssen wir eine zweite Rekognoszierung vornehmen; bist du dabei?« – »Wenn deine eigene Müdigkeit dich nicht eines Bessern überredet,« erwiderte Ludwig lächelnd, »herzlich gern.«
    »Wie? Ihr sitzt so im Dunkeln, Freunde«, tönte plötzlich des eben eingetretenen Rasinski Stimme. »Es wird Zeit sein, daß wir Licht anzünden lassen; aber auch Feuer, denn die Herbstabende sind kalt in diesen Gemäuern.« Er befahl seinem Reitknecht Licht zu bringen und in dem kleinen Gemach, welches er bewohnte, Feuer anzuzünden. Es war dies das einzige Zimmer des Hauses, wo sich ein Kamin befand, der für den Herbstabend eine zweckgemäßere Erwärmung gewähren konnte als die ungeheuern Öfen in den andern Gemächern. »Ich habe eben Briefe für mich und euch erhalten,« fuhr Rasinski fort; »laßt uns hinübergehen und sie zusammen lesen und einander erzählen, was die Lieben von der Heimat her uns schreiben. Es ist mir ein erfreuliches Zeichen, daß uns gleich am ersten Tage in dieser Hauptstadt eine so willkommene Begrüßung wird.« Sie gingen.
    Rasinskis Reitknecht hatte eine Lampe angezündet, die in dem Gemach

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