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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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erhielt auch Rasinski den Auftrag, einen großen, vom Reichtum des Besitzers zeugenden Palast, der in einer breiten Querstraße, wo sonst nur kleine Häuser befindlich waren, lag, zu besetzen. Mit seinen wenigen noch übrigen Leuten und einem Bataillon leichter Infanterie, das ihm beigegeben wurde, trennte er sich von dem Korps des Königs von Neapel und bezog mitten in der Stadt ein eigenes Feldlager. Er nahm von dem Palast und den umliegenden Häusern förmlich Besitz. Keine lebende Seele machte ihm denselben streitig. Boleslaw beauftragte er, mit einer Anzahl von Leuten diejenigen Gegenstände, welche zur Kleidung und Nahrung der Soldaten dienen und sich etwa vorfinden sollten, aus den Gebäuden zu entnehmen, um eine billige Verteilung derselben nach Bedürfnis vorzunehmen. Bis er selbst sich von der Sicherheit der Häuser überzeugt habe, verbot er aufs strengste, sich darin einzuquartieren; vor ein jedes derselben ließ er eine Schildwache stellen, die mit ihrem Leben verantwortlich für Plünderung oder mutwillige Zerstörungen wurde. So schlugen denn die Truppen einstweilen ein geordnetes Biwak in der breiten, einem Platze ähnlichen Straße auf, die dem Palaste gegenüberlag. In diesem nahm Rasinski sein Hauptquartier und richtete sogleich ein Bureau ein, das ihm für die genauere Ordnung des Dienstes und mancher übrigen Geschäfte notwendig war. Wie bisher erhielten Ludwig und Bernhard den Auftrag, die Arbeiten in demselben zu übernehmen.

Zweites Kapitel.
    Es dunkelte schon, als die vorläufigen Anordnungen getroffen waren. Man befand sich denn nun in der Hauptstadt des Feindes, man hatte sie förmlich in Besitz genommen; ja mehr als man glaubte, da alles darin, was nicht fortzuschaffen war, den Einrückenden gewissermaßen als Erbe überlassen blieb. Das Schloß, welches Rasinski mit seinen beiden jungen Freunden bezogen hatte, war von altertümlicher, würdiger Bauart. Das Tor, hoch, gewölbt, mit Eisen stark beschlagen, hatte man erst sprengen müssen; man fand es von innen verriegelt, ein Beweis, daß entweder noch Leute im Schlosse befindlich oder, durch den Garten geflüchtet sein mußten. Das letztere war am wahrscheinlichsten. Als man die beiden symmetrischen Wendeltreppen, welche von jeder Seite der Hausflur in das mittlere Stockwerk führten, hinanstieg, gelangte man in weite Korridore, an denen eine lange Reihe von Gemächern und Sälen hinunterlief. Sie zeugten von großer Pracht, von selbst in Rußland nicht gewöhnlichem Reichtum; doch war, wie Möbel, Form der Spiegel, Tapeten und Vergoldungen bewiesen, die Ausschmückung mindestens schon durch die Väter der jetzigen Besitzer geschehen.
    In dem Zimmer zunächst der Treppe richteten Ludwig und Bernhard das Bureau ein. Aus demselben trat man rechts in einen geräumigen Saal, und neben diesem hatte Rasinski sich in einem kleinern Gemach, das eine Art Boudoir gewesen zu sein schien, eingerichtet; zur Linken des Bureauzimmers hatten Ludwig und Bernhard in zwei großen Gemächern ihre Schlafstätten aufgeschlagen. Es fing an zu dunkeln; draußen auf der Straße flackerten die hellen Wachtfeuer, an denen die Leute biwakierten. Der Widerschein der Flammen spielte gegen die Decke der noch unbeleuchteten Gemächer und brachte, gemischt mit der tiefen Dämmerung, ein seltsames Licht hervor. Rasinski war hinuntergegangen, um die Truppen zu besichtigen und für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Ludwig saß in dem geräumigen Gemach, welches er zur Wohnung gewählt hatte, allein auf einem alten Lehnsessel, denn Bernhard, von einer ihm eigenen Lust, fremde große Gebäude gleich nach allen Richtungen hin zu durchkreuzen, hatte, wie er sich ausdrückte, eine Entdeckungsreise in die weitläufigen Seitenflügel des Palastes unternommen.
    In dem Halbdunkel des herbstlichen Abends, bei dem Spiel des Feuerscheins vor den Fenstern, bei dem gedämpften Schall verworrener Stimmen und Waffengeräusches von draußen her hing Ludwig seinen Träumen nach. Die schönen Bilder der Vergangenheit schwebten als glänzende Gestalten auf dem dunkeln Grunde der Gegenwart vorüber. Es war die erste einsame, ruhige Stunde, seit er die Nachricht von dem Tode der Mutter erhalten, die das Getümmel des Kriegs ihm gönnte. Eine düstere Schwermut bemächtigte sich seiner Seele; das Haupt auf der Seitenlehne des Sessels in die Hand gestützt, saß er, in Erinnerungen versunken, und sein Auge irrte bewußtlos in den hohen dunkeln Räumen des Gemachs umher. So bemerkte er es nicht, daß

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