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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Hand des Allmächtigen durchdringt. Dann weichen meine düstern Träume und Ahnungen; dann sehe ich den Engel des Herrn Dich geleiten und schützen mit seinem Schild und Schwert; dann leuchtet mir die Sonne einer seligen Zukunft entgegen. Freilich, mein Teurer, kehren die düstern Stunden zurück, wie die Nacht nach jedem Tage wiederkehrt; aber es schimmern doch leuchtende Sternenbilder durch das Dunkel, und der äußerste Himmelsrand bleibt mit goldenem Morgenrot gesäumt. Bald, Teurer, bin ich Dir näher, in der Vaterstadt, wo alles, bis auf den Klang der Sprache, mich an Dich erinnert. Ich werde mich dort viel glücklicher fühlen als hier! Eben rollt der Wagen durch das Tor! Mein Herz klopft vor Freude und Sehnsucht. Lebe wohl! Lebe wohl! Tausend Engel mögen Dich beschirmen und glücklich zu mir heimführen! Wann aber leuchtet der Tag, wo ich wieder in Deinen Armen ruhe!
    Deine Lodoiska.«
     
    »Das edle, treffliche Mädchen! Ganz Liebe, ganz Frömmigkeit, Unschuld, Wahrheit!« rief Ludwig aus, als Jaromir geendet hatte. Dieser warf sich ihm ungestüm an das Herz und drückte sein glühendes Antlitz gegen die Freundesbrust. Ludwig ahnte nicht, was in ihm so furchtbar tobe. Er wähnte, es sei das Übermaß der Sehnsucht nach der fernen Geliebten. »Fasse dich, Bester«, sprach er mild. »Der Tag des Wiedersehens wird kommen; er ist vielleicht nicht mehr fern!« Jaromir blieb in seiner Stellung, ohne ein Wort zu erwidern. Furchtbare Gedanken wogten in seiner Brust auf und nieder. Unglückselig bist du, rief es ihm schauerlich zu, wenn dies nicht die Sprache der Wahrheit ist! Doppelt elend, wenn sie es ist!
    Da er einsam schwieg und den Freund nur heftiger und heftiger umklammerte, fragte Ludwig endlich, um seine Gedanken abzuwenden, abermals nach Bernhard. »Ich habe ihn nicht gesehen,« antwortete Jaromir, sich aufrichtend und das Haupt schüttelnd; »ich habe niemand, ich habe nichts gesehen! Ludwig! Ich muß dich verlassen! Ich muß allein sein! Ich bitte dich, laß mich allein!« So rief er heftig und sprang auf. Ludwig sah ihm bewegt nach, wie er mit schnellen Schritten die Straße hinabeilte und in der Dunkelheit verschwand.
    Sollen denn alle meine Freunde heute in so aufgeregter Stimmung sein, dachte er bei sich selbst, daß sie mir die Sorge einflößen, sie werden über ihre innern Kämpfe und Bewegungen die äußere Welt und ihre Gefahren vergessen? Und habe ich nicht vielleicht die stärksten Ursachen zu einer gleichen Stimmung? Wie kommt es denn, daß mein Herz soviel ruhiger schlägt? Ach – weil ich mich schon unter das eiserne Joch des Geschicks gebeugt habe, weil meine Lebenshoffnungen nicht mehr so frisch blühen, die warme, wallende Ader der Freude längst verblutet ist! Auf dem Gotthard war auch ich nicht so ruhig! Und bin ich es denn jetzt wirklich? Oder bin ich nur müde? Langsam ging er zurück in sein Gemach. Er lehnte sich ins Fenster und blickte hinaus, ob Jaromir oder Bernhard nicht zurückkehren würde. Eine volle Stunde verging; es blieb alles still. Die Feuer waren fast zusammengebrannt; nur noch eine düstere, rauchende Glut glimmte inmitten der schwarzen, auf den Boden gelagerten Gestalten. Man hörte jetzt ihre tiefen, schweren Atemzüge bis hier herauf: selbst die Feuerwachen nickten müde ein. Totenstille lag über der ganzen ungeheuern Stadt.

Fünftes Kapitel.
    Endlich wurde auch Ludwig von der Müdigkeit übermannt; er schloß das Fenster, hüllte sich dicht in den Mantel und warf sich auf das in der Ecke stehende Ruhebett nieder. Die Sorge um Bernhard und Jaromir hielt ihn noch eine Zeitlang wach. Doch mehr und mehr verlor sie sich in dem Nebel des Schlummers, der ihn überschlich; bald klangen ihm die unruhigen Gedanken nur noch wie ein fernes Brausen des Meeres, wie dumpfer, sich verlierender Donner in die Seele; sie verschleierten sich immer tiefer, verloren sich immer mehr in die Leere des weiten dunkeln Raumes. Endlich sanken ihm die Augenlider matt herab, und er lag im tiefsten Schlafe. Doch die Seele arbeitete unruhig fort in dem ermatteten Körper und führte die bunten, gaukelnden Traumbilder auf dem schwarz aufgespannten Hintergrunde der Nacht vorüber. Bald sah sich Ludwig im Getümmel der Schlacht, rings von Feinden bedrängt, zu Boden stürzend. Dann schwebte eine freundliche Gestalt aus der Heimat heran, seine Mutter trat vor ihn und bat ihn, ihr zu folgen. Sie führte ihn in ihr trauliches Wohnzimmer und fragte: Wo bist du nur so lange gewesen? Eine milde

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