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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Angesicht, als ob ein zarter Flügel darüber hinstreifte. Wie durch Zauberkraft war plötzlich das düstere Gespinst verschwunden, welches ihm alles einzuhüllen schien, und er erblickte die Gegenstände umher wieder in ihrer vollen Schärfe. Noch hatte er sich von seinem Staunen nicht erholt, als er Rasinskis laute Stimme im Nebengemach vernahm, die ihn und Bernhard aufrief; er eilte daher in den Saal, der außer dem Feuerschimmer von der Straße herauf durch eine Nachtlampe matt erhellt war. Rasinski trat ihm schon mit hastigen Schritten entgegen, und fast zu gleicher Zeit stürzten die durch den Schuß geweckten Leute vom Vorsaale herein. »Licht! Mehr Licht!« befahl Rasinski. Sie eilten, den Befehl zu erfüllen. »Was gibt's? Was ist geschehen?« fragte Ludwig.– »Wir sind in unheimlicher Umgebung; hast du nichts gesehen?« – »Nicht das mindeste, jedoch–«
    »Durch mein Zimmer ging soeben eine schwarze Gestalt, allem Anschein nach ein Frauenzimmer«, unterbrach ihn Rasinski. – »Wie?« rief Ludwig außer sich, als ob ein Blitzstrahl ihn heiß und kalt zugleich durchzuckte, »eine schwarze, verschleierte Gestalt –« – »Ganz recht!« – »Und diese sahst du wirklich? Es war kein Traumbild?« rief Ludwig und stand wie versteinert vor dem Freunde.
    »Nein, beim Himmel, denn ich war so wach wie in diesem Augenblicke«, entgegnete Rasinski, der noch zu sehr mit seinem eigenen Erlebnis beschäftigt war, als daß der Eindruck, den es auf Ludwig machte, ihm hätte auffallen können. »Vor fünf Minuten wußte ich freilich selbst nicht, ob ich geträumt hatte oder wirkliche Dinge sah. Ich glaubte, ein leises Vorüberrauschen an meinem Lager zu hören, und erwachte, denn du weißt, wie leicht mein Schlaf ist. Da sah ich es wie einen Schatten, über die Wand gleiten, und ein trüber Lichtschimmer schien mir aus der offenen Saaltür ins Gemach zu fallen. Doch glaubte ich, es sei der Schein der Feuer von der Straße herauf, die mich täuschten. Indessen war ich wach geworden und lag, noch über die Erscheinung nachsinnend, auf meinem Lager. Eben hatte ich mich wieder eingehüllt und die Augen geschlossen, als ich dasselbe leise Rauschen wie zuvor höre. Ich fahre auf; da schwebt eine schwarze verschleierte Gestalt dicht an meinem Lager vorüber, ›Wer da!‹ ruf' ich sie an; sie schreckt sichtlich zusammen, gibt mir jedoch keine Antwort, sondern eilt mit raschen Schritten durchs Gemach. ›Antwort, oder ich schieße!‹ rufe ich und greife nach meinen Pistolen –«
    »Allmächtiger Gott!« rief Ludwig und fiel Rasinski unwillkürlich, als ob er den Schuß verhindern wollte, in den Arm, den dieser in der Lebhaftigkeit der Erzählung ausgestreckt hatte. »Du hast also auf sie geschossen?« – »Allerdings; und gleich darauf hörte ich den Ausruf einer weiblichen Stimme.«
    »Sie ist getroffen? Wo?« Mit diesen Worten wollte Ludwig in das Gemach Rasinskis eilen; doch dieser, der erst jetzt die ganz außerordentliche Bewegung des Freundes wahrnahm, hielt ihn zurück und fuhr rasch fort: »Es war nur ein Ausruf des Schreckens. Gleich danach klang es wie eine schnell geöffnete und ins Schloß geworfene Tür; ich hatte mich rasch emporgerafft und war auf die geheimnisvolle Erscheinung zugeeilt. Doch, sei es nun, daß mich der Blitz und Rauch des Schusses geblendet hatte, oder daß das Halbdunkel des Gemachs die Flucht des unbekannten Wesens begünstigte, sie war verschwunden, als ob sie in den Boden versunken wäre. Sogleich sprang ich daher in den Saal und rief dich und die Leute auf. Hier hindurch kann sie nicht geflüchtet sein, denn sie hätte die Tür noch nicht erreichen können, so schnell war ich ihr gefolgt.«
    Während dieser Erzählung waren die Diener mit Licht eingetreten, und Rasinski eilte in sein Schlafzimmer, um dasselbe genau zu durchforschen. Ludwig begleitete ihn mit einem unaussprechlichen Gefühl. Doch das Zimmer war leer. Nur zwei Türen befanden sich in demselben: die eine, welche nach dem Saale führte, die andere, durch welche man in die weiter fortlaufende Reihe der Gemächer gelangte. Diese letztere aber war durch zwei Sessel, die noch ganz so standen wie am Abend zuvor, gesperrt; unmöglich konnte jemand dort hinausgegangen sein, ohne die Sessel umzustürzen oder auf die Seite zu schieben. Die Diener beteuerten dagegen, daß niemand durch die Saaltür in den Vorsaal gekommen sei, indem sie quer vor derselben ihre Lagerstätte aufgeschlagen hatten, so daß man nur über sie hinweg

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