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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hinaus, und der Rauch wirbelte in einem breiten Strom über die gegenüberliegenden Giebel und Häuser hin, so daß er die Aussicht nach der Seite fast ganz verdeckte. Von Truppen war nichts mehr zu bemerken, doch sah Jaromir aus den noch brennenden Biwaksfeuern, daß der Abmarsch sehr eilig gewesen sein mußte. Sie werden den Befehl, den du bringen solltest, bereits anderweitig erhalten haben, dachte Jaromir, war aber unschlüssig, wohin er selbst sich nunmehr wenden sollte, um die Freunde rasch aufzufinden. Die düstere Stimmung, in der er sich befand, war durch das wichtige Ereignis für den Augenblick einigermaßen abgeleitet worden; jetzt aber, da die Feuersbrünste sich vervielfältigten und die Flammen vielleicht schon von zwanzig verschiedenen Orten her leuchteten, überkam ihn plötzlich eine dunkle Unruhe um Alisetten. Wird sie gewarnt, geweckt sein? Wird sie wissen, wohin sie sich wenden soll in einer so rauhen Nacht des Schreckens? Und wenn sie aufgestört wird von dem tobenden Lärm, wohin wird die Einsame, Verlassene fluchten? In vielen Stadtteilen, wo keine Truppen lagen, oder wo das Übermaß der Müdigkeit alles in festen Schlaf gestreckt hatte, war es noch nicht einmal unruhig geworden, sondern das Verderben brach während der Ruhe des Schlummers herein. Wie, wenn sie in ihrem nach dem Gartenhaus abgelegenen Gemach den Trommelschlag nicht hörte, wenn das Feuer auch diesen Palast ergriff, wenn sie entsetzlich aufgestört –
    Er durfte nicht weiter denken; sein Entschluß war gefaßt, zu der Geliebten zu eilen, sie zu wecken, zu warnen, zu beschützen. Indem teilte der Sturm die breiten Wolkenzüge des Dampfes, die sich bis jetzt nach der Gegend, wo Alisette wohnte, gewälzt und sie dem Auge entzogen hatten. Da sah er rote Flammenspitzen über die Bäume des Gartens emporzucken; der Palast mußte schon brennen, wo sie wohnte. Eine ungeheuere Angst überfiel ihn. Er sprengte nach der Gartenpforte; sie war zu eng, um hindurchzureiten. Rasch warf er sich vom Pferde und öffnete das Pförtchen. Jetzt sah er es deutlich, daß der Palast schon in Flammen stand, obwohl dieselben noch nicht ganz ausgebrochen waren. Ohne sich um sein Roß zu kümmern, eilte er im vollen Lauf durch die Gebüsche, um die große Allee zu gewinnen, welche mitten durch den Park führte. »Welch eine Fügung des Himmels, die dir diesen geheimen Pfad gezeigt hat, auf dem du jetzt das teuere, holde Wesen retten kannst!« – Atemlos erreichte er das Ende des Gartens. Der Palast stand still, einsam vor ihm; niemand in seinen weitläufigen Räumen schien erwacht zu sein, niemand die Nähe der Gefahr zu ahnen. Entweder die Bewohner waren schon geflüchtet und gerettet, oder der Schlaf hielt sie noch in dichten Banden und überlieferte die gefesselten, betäubten Opfer stumm dem Verderben. Noch stand das Gebäude nicht in hellen Flammen; aber sie leckten doch schon mit züngelnden Spitzen aus den Öffnungen des Daches und des Erdgeschosses und blitzten durch die schweren, langsam wogenden Dampfmassen, welche sich auf den Zinnen lagerten und das Gemäuer wie ein düsterer Trauerschleier umwallten. Der ganze innere Raum des Gebäudes schien mit Glut und Rauch so gefüllt, als bedürfe es nur noch eines Hauchs, um die Flammen übermächtig nach allen Seiten hinauszuspeien und das Ganze mit ihren brausenden Wogen zu überfluten.
    Ohne sich zu bedenken, doch mit angstvoll um die Geliebte pochendem Herzen drang Jaromir in diesen Krater des Todes ein, stürzte die Treppe hinan und stand jetzt vor der Tür ihres Gemachs. Sie war verschlossen. Er pochte, man antwortete nicht. Alisette konnte in einem Nebengemach schlafen und ihn nicht hören; mit einem starken Fußstoß sprengte er daher die Tür auf und stand im Gemach. »Alisette!« rief er, »Alisette! Wo bist du?«
    Alles blieb still. War sie schon geflüchtet, oder mußte er sie in einem andern Gemach aufsuchen? – Beim Schein des Feuers, der, durch die hohen Bäume vor den Fenstern verdunkelt, nur matt hereinfiel, suchte und fand er die Tür des Nebenzimmers. Er ging hinein; auch hier war alles still, doch brannte eine Lampe auf einem Tische in der Ecke. Diese ergriff er und schritt weiter. Es war hier weder von Rauch etwas zu spüren, noch fiel der Schein der Flammen hell genug herein, um jemand zu erwecken; auch war alles totenstill, und von dem mehr und mehr wachsenden Lärmen auf der Straße vernahm man hier nichts. Jaromirs Vermutung, daß Alisette noch schlummern möge, wurde ihm

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