1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Mangel an Hilfsmitteln nicht zu denken. Man hatte genug zu tun gehabt, um so schleunig als möglich einige Vorräte und die Pferde, welche in dem Hofe des Schlosses untergebracht waren, zu retten. Rasinski ließ seine Leute unter Waffen treten und überzählte, ob jemand fehle. Sie waren alle zugegen. »Noch ist es fast windstill,« sprach er; »der Rauch zieht ein wenig abwärts; wenn die Flammen ebenso gejagt werden, dürfen wir ohne Gefahr hier verweilen. Wo nicht, so ziehen wir uns nach der Gegend des Kreml. Einstweilen wollen wir das Ereignis dorthin melden.« Er rief Jaromir hervor und gab ihm den Auftrag, sofort nach dem Kreml zu reiten und die Meldung bei dem Generaladjutanten des Kaisers zu machen. Jaromir sprengte wie ein Pfeil davon.
Mit gespannter Erwartung betrachteten die versammelten Leute jetzt das in Dampf gehüllte Gebäude vor ihnen, jeden Augenblick gewärtig, daß die Flammen durch das Dach brechen sollten. Da fiel unvermutet ein heller Schein über den ganzen Palast, als wenn derselbe durch eine plötzlich aufgehende Sonne beleuchtet würde. Verwundert sah man sich um; da stand der ganze Himmel in dunkelrotem Glanz, als ob er über ein Feuermeer gewölbt sei. Rasinski sprengte die Gasse entlang bis zu der Gartenmauer, wo er einen freien Blick über den Horizont hatte. »Heiliger Gott!« rief er entsetzt aus, als er hier ein zweites, großes Gebäude, das in der Nähe des Kreml liegen mußte, wahrnahm, aus dessen hohem, unförmlichem Dache eben die Flammen mit voller Gewalt herausschlugen, während eine schwarze Rauchwolke sich düster über die Sterne, die noch im Zenit glänzten, hinwegwälzte. »Das ist kein Zufall!« rief er unwillkürlich aus; »hier werden furchtbare Ratschläge ausgeführt.« Er wollte eben zurücksprengen, als ihm Bernhard mit der Nachricht entgegenkam, am Ende der Gasse brenne ein Magazin. Jetzt sah Rasinski deutlich, worauf es abgesehen sei; nunmehr galt es, entschlossen zu handeln. »Woher kommt der Wind?« fragte er und sah sich ringsum. – »Ich glaube, aus Südwest!« erwiderte Bernhard. – »Richtig! Doch er scheint unstet! Indessen wollen wir uns einstweilen zurückziehen, es könnte uns sonst der Weg abgeschnitten werden.«
Von der Flucht Rasinskis aus dem geheimen Gange bis zu diesem Augenblicke waren kaum zehn Minuten verflossen. Bis dahin hatte man in der Stadt auch noch keinen Lärm gehört, sondern die Ausbrüche des Feuers schienen von den übrigen Biwaks noch nicht bemerkt worden zu sein, und es herrschte während des furchtbar schönen Schauspiels die schauerliche Stille der Nacht. Jetzt aber hörte man aus der Ferne von allen Seiten die Trommeln rühren und Signalhörner und Trompeten schmettern. Es entstand ein Getümmel, als ob ein großes Lager überfallen werde. Die Kavallerie saß auf, die Infanterie griff zu den Waffen und trat an. Noch wußte man nicht, ob man nur ein entsetzliches Element, oder vielleicht auch einen verborgenen Feind, der unter dem Schutze desselben seinen Angriff machen wolle, zu bekämpfen habe. Die Ungewißheit vermehrte daher den ersten Schrecken. Indessen gingen von allen Seiten die hohen Gebäude in Flammen auf; der Wind wurde stärker und jagte das Feuer wie ein flutendes Meer über die Stadt hin. Bald war man in ein düsteres Dunkel undurchdringlichen Rauchs gehüllt, der, in die engen Gassen zusammengepreßt, nicht sogleich einen Ausweg fand; bald leuchtete es ringsumher wie am hellen Tage, und in allen Waffen glänzte der Widerschein der Flammen, als wären sie in frisches Feindesblut getaucht.
Rasinski gewann mit den Seinigen eine Straße, wo noch keine Feuersbrunst ausgebrochen war. Die Höhe der Häuser von beiden Seiten hinderte auch den Widerschein der entfernter brennenden Gebäude so blendend einzufallen wie zuvor bisweilen; man befand sich in einem dämmernden Halbdunkel, doch war der Himmel durch ziehende Rauchwolken und Funkenströme bedeckt. Das Ende der Gasse stieß auf eine Brücke, welche jedoch für den Augenblick durch die Artillerie gesperrt war, die ihren eiligen Rückzug nahm, um die Munitionswagen und Protzkasten, die man unvorsichtigerweise in der Stadt aufgefahren hatte, zu retten. Rasinski mußte daher mit den Seinigen hier halten, bis die Bahn frei wurde. »Seht ihr Freunde,« sprach Rasinski zu Bernhard und Ludwig, »meine Ahnungen werden wahr! Jetzt sehe ich des Unheils kein Ende. Ich wünschte, Jaromir stieße wieder zu uns,« sprach er nach einiger Zeit; »am Ende findet er uns nicht
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