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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Strom durchbrechend. Jaromir sprengte in die offene Kluft hinein; einen Augenblick lang teilten sich die Feuerwogen weithin, so daß der Blick bis zu dem Punkte, wo die Rettung winkte, hindurchdringen konnte. Doch schon schlugen die Wellen wieder über seinem Haupte zusammen; plötzlich donnerte und krachte es furchtbar über ihm; ein Dachstuhl stürzte ein, glühende Balken und Steine prasselten herab, Jaromirs Pferd, von einem mächtigen Quader im Kreuz getroffen, brach unter ihm zusammen. Betäubt lag er am Boden; doch raffte er sich wieder auf und drang zu Fuß vorwärts. Schon gab er sich verloren; fast mit geschlossenen Augen, weil sie die Glut nicht mehr ertragen konnten, drang er vorwärts, der Gegend zu, wo er einen Augenblick lang freie Räume gesehen hatte. Da traf plötzlich in dieser Flammenöde eine ernste männliche Stimme sein Ohr: »Wißt ihr uns den Ausweg aus den brennenden Gassen zu zeigen?« rief es ihn von der Seite her an.
    Freudig durchschauert, nur einen Todesgefährten aufgefunden zu haben, wandte er sich nach der Seite, woher der Ruf kam. Doch von Ehrfurcht und Schrecken gefesselt, blieb er erstarrt stehen, als er den Kaiser , der mit einigen Begleitern aus einer engen, gewundenen Seitengasse kam, vor sich sah. »Wie? Er selbst? Er, an dessen Haupt das Verhängnis aller hängt, hier in diesem brandenden Feuermeer, wo nirgends mehr ein Rettungsweg zu entdecken ist? Nein, er kann so nicht verloren sein!« Dieses lebendig prophetische Bewußtsein gab ihm Kraft und Besinnung wieder. An der ruhigen Entschlossenheit des unerschütterlichen Mannes, der ihn mit denselben unveränderten Zügen, wie er im Sturm der Schlacht das Steuer lenkte, anblickte, richtete sich sein eigener Mut empor. Er wuchs ihm durch einen Blick auf die verstörten Begleiter und Führer des Feldherrn, die, vom Entsetzen verwirrt, in den wogenden Flammen die alten Spuren der Straßen nicht mehr aufzufinden vermochten. Mächtig durchdrang ihn das Gefühl, daß sein kleines Dasein diesem unermeßlich großen gegenüber nichts gelte, und darum betäubte es ihn nicht mehr, daß es von tausend Schmerzen zerrissen und jetzt von unrettbarem Verderben bedroht war. Ehre und Männerpflicht richteten sich edel in ihm auf.
    »Wißt ihr keinen Ausweg?« erneuerte der Kaiser die Frage. »Ja, ich hoffe es,« antwortete Jaromir fest; »doch der Weg geht durch die lodernden Flammen dort.«
    »Gut denn! Wir haben nicht Zeit uns zu besinnen«, erwiderte der Kaiser und schritt dahin, wo Jaromirs Hand deutete. Dieser eilte voran, stolz entschlossen, sich mitten in die Glut zu werfen. Doch als trügen die empörten Elemente eine heilige Scheu, den Gewaltigen anzutasten, so erhob sich jetzt der Sturmwind stärker als zuvor und brach eine Gasse durch die Flammen. Jaromir stürzte voran; der Weg ging durch Aschen- und Feuerregen über qualmende Trümmer hinweg. Man atmete Glut; das Auge brannte bis ins Gehirn, Lippe und Zunge verdorrten. Da wehte ein frischerer Lufthauch kühlend über Jaromirs glühendes Angesicht. Das Freie war erreicht; die Rettung gewonnen!

Dritter Teil.
Neuntes Buch.
Erstes Kapitel.
    Der September hatte mit einem ungetrübt heitern Himmel begonnen; die Tage zogen still, sonnig, mild erwärmt vorüber. Zwar fing das Laub schon an sich zu färben, oder gar zu fallen; doch waren die Fluren noch in ein saftiges Grün gekleidet, das sich mit den schönfarbigen Herbstblumen schmückte. Die Gräfin, Lodoiska und Marie hatten in dieser Hinsicht die angenehmste Reise gehabt; was der Landschaft mangelte, ersetzte der Reiz der Jahreszeit, die in ihrer heitern Stille, mit jenem leisen Anflug von Wehmut, den der herbstliche Anblick der Natur erregt, sich der trüben Stimmung der Seele, in der sich besonders die beiden jungen Mädchen befanden, gewissermaßen mit Freundesteilnahme anschloß.
    Der Palast der Gräfin war, obgleich die Einrichtung desselben einer glänzenden Lebensweise entsprach, doch jetzt ein stiller, heimischer Aufenthalt, wie ihn Frauen, die in Zurückgezogenheit leben wollten, nur irgend wünschen mochten. Sie hatten die untern Zimmer des linken Seitenflügels bezogen, der gegen den Garten hinaus und zum Teil schon in demselben lag. Die Glastür des gemeinschaftlichen Salons öffnete sich unmittelbar gegen einen von Flieder- und Jasmingebüschen umgebenen, sanft abgesenkten Rasenplatz. Rosenbäume, die im Lenz den lieblichsten Anblick gewährten, standen im Halbrund umhergepflanzt; zwar waren ihre Blüten längst

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