1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
fast zur Gewißheit; hastig warf er daher seine Blicke durch das Gemach und schritt, da er keine Spur, daß dasselbe bewohnt sein möchte, erblickte, hindurch. Er öffnete die Tür des zweiten Zimmers und lauschte hinein. Hier sah er ein Bett mit zugezogenen seidenen Vorhängen stehen. Ein heiliger Schauer durchzuckte ihn. »Alisette! Alisette!« rief er. – »Wer ist da?« antwortete ihre Stimme mit ängstlichem Ton. – »Alisette, ich komme, dich zu retten, das Schloß steht in Flammen!« Mit diesen Worten eilte er auf das Bett zu, woher ihre Stimme tönte, um die Geliebte in seinen Armen aus dem Palast zu tragen. »Zurück, zurück!« rief sie ihm zu, indem sie die Vorhänge mit der einen Hand zusammenhielt und ihm mit der andern winkte, sich zu entfernen. »Um des Himmels willen zurück!« Jaromir glaubte, ein Gefühl der Verschämung gebe ihr diese Angst. Doch es blieb ihm nicht Zeit, dasselbe zu bekämpfen, denn eine männliche Stimme rief: »Zum Teufel, was gibt's denn!«
Jaromir erstarrte. Alisette stieß einen lauten Schrei aus. Im gleichen Augenblicke sprang ein Mann von dem Lager auf. »Wer bricht hier herein?« fragte er mit entschlossener Stimme; doch ehe Jaromir antworten konnte, war auch Alisette aufgesprungen, hatte sich ihm zu Füßen geworfen, umklammerte seine Knie und rief: »Verdamme mich nicht, ich bin schuldlos.«
Jaromir stand betäubt, entsetzt, vernichtet. Er sah so viele Schreckensgestalten des Unheils zugleich auf sich einstürzen, daß sein Blick sie nicht mehr unterschied. Er warf die Lampe von sich, und indem er sich die Hände verhüllend vor die Stirn legte, rief er aus: »O, ich Elender!« Alisette hatte seine Knie mit beiden Armen krampfhaft umschlungen. Das aufgelöste Haar wallte ihr über die entblößten Schultern und den hervorquellenden Busen. »Ich stehe nicht eher auf, bis du mir vergeben hast!« rief sie und drückte das Angesicht gegen den Boden. »Und willst du nicht, so zertritt mich; ich will zu deinen Füßen sterben.« Jaromir hörte und sah nicht.
Eine rauhe Hand faßte ihn jetzt beim Arm und rüttelte ihn heftig. »Ich fordere eine Erklärung, Herr Graf, mit welchem Rechte Sie sich unterfangen hier einzudringen.« Jaromir sah sich halb bewußtlos um. Eben brach draußen eine rote Flammenwoge durch das Dach eines unfern stehenden Gebäudes, so daß das Gemach rötlich beleuchtet wurde. Bei diesem Schimmer erkannte er den Obersten Regnard, der im rasch übergeworfenen Mantel vor ihm stand.
Erstaunt fuhr dieser zurück; Alisette, die sich eben aufrichten wollte, schrie laut auf und sank halb ohnmächtig wieder auf den Boden. Jaromir war so betäubt, daß er die Frage des Obersten nicht sogleich fassen konnte. In diesem hatte der unvermutete Schreck mit dem Zorn zu kämpfen; so blieb es einige Sekunden totenstill. »Teufel! Ich frage, was Ihr Eindringen hier bedeuten soll!« rief der Oberst, jetzt wütend ausbrechend; »antworten Sie, wenn Sie ein Mann von Ehre sind.«
Regnard glaubte die Gefahr nicht nahe, und über die benachbarte Feuersbrunst hatte er sich mit dem Mut eines alten Soldaten sogleich wieder gefaßt. Alisette war jetzt angstvoll aufgesprungen. Sie warf sich zwischen Jaromir und den Obersten und rief, indem sie die Hände rang: »Um des Himmels willen, laßt uns flüchten, flüchten! Ich will ja alles bekennen und gestehen!«
Doch mit entsetzlich ausbrechendem Zorn faßte Jaromir den nackten Arm der Flehenden, schüttelte sie, wie der Löwe ein Reh packt, und rief: »Bekenne, Elende! Hast du Lodoiska verleumdet?« – »Vergebung! Gnade!« wimmerte die Entsetzte und wollte vor ihm auf die Knie sinken. Doch Jaromir schleuderte sie grimmig hinweg, daß sie auf das Lager niederstürzte, und rief: »Lügenzüngige Natter! Fliehe, damit ich nicht an dir zum Mörder werde!«
Regnard fiel ihm in den Arm, doch die überlegene Jugendkraft Jaromirs stieß auch ihn zurück: »Wir treffen uns noch; jetzt retten Sie sich, denn der Palast brennt.«
Ein dumpfer Donnerschlag, der aus der Tiefe des Bodens heraufklang, verschlang die letzten Worte. Der Palast bebte, die Fenster sprangen klirrend entzwei, Steine stürzten von der erschütterten, geborstenen Decke herab. »Hölle und Teufel! Was ist das?« fuhr Regnard auf. – »Allbarmherziger Gott!« schrie Alisette und rang die Hände. – »Von dir weiß die Barmherzigkeit nichts«, rrief Jaromir ihr mit dumpfer Stimme und drohend gehobener Hand zu. »Diese Gewölbe stürzen ein über deinen Freveln, und dich
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