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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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verschlingen die Flammen der Hölle.« – »Gnade! Erbarmen! Rettet mich!« jammerte die Unglückselige und schwankte auf Jaromir zu; aber sie vermochte sich nicht mehr auf den Füßen zu erhalten, sondern fiel betäubt, regungslos auf den Boden nieder.
    »Wir dürfen sie nicht umkommen lassen,« sprach Regnard entschlossen; »helfen Sie mir sie hinabtragen.« Er suchte sie emporzuheben; Jaromir stand wie eine eherne Bildsäule und starrte das reizende Bild der Ohnmächtigen an. Indem öffnete sich die angelehnte Tür des Nebengemachs, und das Pflegekind Alisettens, die kleine dreijährige Tochter ihrer Schwester, kam herein und stammelte weinend: »Ich fürchte mich so!« Beim Anblick dieses hilflosen Wesens kehrte das Bewußtsein in Jaromirs Brust zurück und mit ihm sein weiches Mitgefühl. Eine tiefe Scham befiel ihn. »Nein! du sollst nicht umkommen, kleines, holdes Wesen,« sprach er sanft, »du nicht und auch nicht diese Verbrecherin.« Er nahm das Kind in seine Arme und hüllte es in einen Schal Alisettens ein. Dieser hatte Regnard bereits einen Mantel übergeworfen, doch vermochte er nicht sie emporzuheben, weil seine Wunde ihn noch hinderte. Jaromir reichte ihm das Kind und sprach: »Nehmen Sie die Kleine!« Dann ergriff er Alisetten, hob sie mit rüstiger Jugendkraft empor und schritt nach der Tür zu. »Mir nach! den Garten können wir noch erreichen«, sprach er. Regnard folgte ihm.
    Schon drang dichter Dampf und Schwefelgeruch in die Gemächer ein; doch leuchtete die Flamme von außen her so hell, daß man den Weg nicht verfehlen konnte. Die kleine Treppe, die zum Garten führte, war ganz in Rauch gehüllt, und die Flammen schlugen schon hell von unten herauf. Ohne Zaudern warf sich Jaromir hinein; in drei Sprüngen war er unten und erreichte mitten durch die Flamme das Freie. Regnard war ihm ebenso entschlossen gefolgt. Atemlos, mit versengtem Haar, gewannen sie einen sichern Platz im Garten. Dort setzten sie die Bürden nieder und schöpften Atem. »Wir sind in Sicherheit,« sprach Jaromir mit stumpfem Ton erstarrter Gleichgültigkeit; »durch die Gartenmauer führt eine Pforte, wenn das Tor des Palastes schon in Flammen stehen sollte. Was uns anlangt, Herr Oberst, so werden wir uns wohl wiedersehen!«
    Regnard erwiderte nichts. Er ahnte jetzt den Zusammenhang und fühlte, daß er von dem Unglücklichen keine Erklärungen zu fordern hatte. Dieser aber schritt hastig durch den Garten, um sich zu Pferd zu werfen und die Seinigen aufzusuchen. Der treue Rappe stand, obwohl er nicht angebunden war, geduldig an der Pforte des Gartens und schien seinen Herrn zu erwarten. Jaromir schwang sich hinauf und sprengte mit verhängtem Zügel durch die Gassen.
    Von allen Seiten standen schon die Gebäude in Flammen; die Nacht war heller als der Tag. Nur wo der verfangene Rauch und Qualm oder der dichte Aschenregen die Luft verdunkelten, war es finster. Die brennenden Straßen schienen ausgestorben; alles war geflüchtet. Die Rettungsmittel wandte man nur an, um die noch unversehrten Teile zu schützen, denn wo einmal das Feuer loderte, war jeder Kampf mit dem übermächtigen Elemente vergeblich. Die Flamme knisterte ringsumher; es schien Jaromir, als seien es die Furien der Hölle, die ihn verfolgten. Sein Roß wurde durch den Sporn und die Angst zugleich getrieben; es flog wie ein Pfeil mit ihm dahin. Doch der Betäubte suchte keinen Ausweg, er führte die Zügel nicht, er achtete auf kein Zeichen, nicht auf die Richtung des Windes; dem Pferde bewußtlos die freie Wahl lassend, geriet er immer tiefer in das labyrinthische Gewinde der brennenden Gassen hinein. Erst als das scheue Tier sich plötzlich wie in einer Flammenhöhle sah und stutzte und umwenden wollte und wieder stutzte, indem es sich scheu aufbäumte und geängstigt die Funken und Feuerflocken aus den Mähnen zu schütteln suchte, da sah er, wohin er geraten war. Die durchglühte Luft war kaum noch zu atmen; das Auge brannte und schloß sich geblendet, ein durchbohrender Schmerz zuckte durch das Gehirn. »Also hier soll ich enden? – Sind es die Flammen der Hölle, die meinen Frevel so schnell bestrafen?«
    Das Leben war ihm verhaßt; doch die Natur wehrte sich gegen diese qualvolle Vernichtung. Gewaltsam riß er die geblendeten Augen auf und starrte in das prasselnde Feuermeer, ob sich nirgends ein Ausweg auftue. Ein Windstoß fuhr brausend durch die Flammen, drückte sie mächtig herab und spaltete sie dann, die glühende Mauer gewaltsam mit seinem

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