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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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handeln sollte.«
    Sie schlugen eine Straße ein, welche nach der angegebenen Richtung führte. Bald aber sahen sie sich in einem dichten Gedränge und Getümmel, denn Infanteriekolonnen, mit den bärtigen Sappeurs an der Spitze, kamen ihnen im Sturmschritt entgegen, weil sie befehligt waren, dem Brande Einhalt zu tun. »Platz! Platz!« schrie der Führer und drängte mit den Leuten vorwärts. So konnte die Kavallerie, auf die rechte Seite der Straße gedrängt, nur Schritt vor Schritt vorrücken. Indessen wuchsen in ihrem Rücken die Flammen; der Rauch wälzte sich, ein Gemisch glühender und schwarzer Wolken, hoch über die Türme und Paläste hin und verbarg den Himmel und seine Gestirne. Doch waren die Straßen nicht verdunkelt, sondern Häuser und Boden glühten, wie von Fackeln der Furien beleuchtet, im blutroten Widerschein. Der Sturm, durch das Flammenmeer gelockt, warf sich heulend, mit grimmiger Lust auf die wogende Flut, riß sie in hohen Wirbeln empor und jagte Funken, Feuerflocken und Asche vor sich hin, die in einem dichten Regen herabströmten.
    Das ungeheuere Ereignis stellte sich mit riesenhafter Majestät vor den Menschen in seiner Ohnmacht hin. Jedes vereinzelte Leiden, Sehnen, Hoffen und Fühlen der Brust ging unter in dem eiskalten Anhauch eines starren Grausens, das mitten aus dem Glutmeer hervorbrach und sich in das Herz, auch des Kühnsten, ergoß. Die Stunde des Weltgerichts schien angebrochen, das flammende Verhängnis ereilte Völker und Throne; nicht Wälle, nicht Mauern von Erz hätten dem Verderben mehr gewehrt. Wem jetzt das Los gefallen war, den packten die Arme des glühenden Stroms und rissen ihn brausend fort in das Meer der Vernichtung und gruben ihn in Nacht, Staub und Asche!

Sechstes Kapiel
    Jaromir war mit verhängtem Zügel durch die noch finstern Gassen dem Tore des Kreml zugesprengt. Ein eigenes Grauen beschlich seine Brust, als er allein durch die öde Stadt jagte. Noch hatte er keine zweite Feuersbrunst entdeckt, noch schlug keine Flamme aus dem Giebel fernerer Dächer empor, um die Nacht zu erleuchten. Dennoch hatte er eine dunkle Ahnung der Wahrheit, und die schwarzen Steinmassen der Stadt erschienen ihm wie ein erstarrtes, ausgebranntes, schroff geborstenes Lavameer, das plötzlich seine unterirdischen Schlünde aufreiße, um den ungebändigten Feuerströmen die Bahn zu öffnen. Er mußte durch eine enge, gewundene Gasse reiten, deren hohe Häuser ihm die Aussicht in die Ferne eine Zeitlang versperrten. Als er wieder einen freien Raum erreichte, sah er bereits an drei Stellen zugleich rötlichen Rauch aufsteigen, und plötzlich zuckte eine flackernde Helle durch die Nacht. Es waren die ersten Flammen, welche die Dächer des Basars durchbrachen. Bald rötete sich der Himmel an mehreren Orten, und noch bevor er den Kreml erreicht hatte, hörte er schon die Trommeln der Wachen daselbst. Adjutanten sprengten ihm entgegen; er rief sie an, um zu fragen, wohin er seine Meldung machen könne. »Es ist schon alles in Ordnung«, lautete die Antwort. »Der Kaiser ist benachrichtigt, der Marschall Mortier schon in voller Tätigkeit. Wir haben allen berittenen Truppenteilen und der Artillerie den Befehl zu bringen, schnell die Stadt zu verlassen. Dagegen sollen Sappeurs, Mineurs und Infanterie sich sammeln, um löschen zu helfen. Alle Meldungen gehen an den Marschall Mortier.«
    Jaromir sah ein, daß er jetzt nichts Besseres tun könne als zurückreiten, um Rasinski diese Bestimmungen mitzuteilen. Er tat es im gestreckten Galopp; doch teils weil er nicht genau Bescheid wußte, teils weil die seltsame Beleuchtung ihn täuschte, und endlich weil eine ausrückende Kolonne Artillerie, die eine Querstraße sperrte und ihn so zu einem andern Wege zwang als der, den er gekommen war, verirrte er sich und konnte sich aus einem Gewinde kleiner, sich kreuzender Gassen gar nicht zurecht finden, weil sie immer an andern Punkten ausliefen, als wohin ihn die Richtung, nach der er sie wählte, zu leiten schien. Endlich erreichte er einen freien Raum, der schon fast tageshell von Flammen beleuchtet war, und glaubte nun sich links wenden zu müssen. Da erst erkannte er, daß er sich dicht bei seinem Biwaksplatz befand, aber von einer andern Seite auf denselben zurückgekehrt war, wodurch die Gegenstände ihm im ersten Augenblicke halb bekannt und doch fremd erschienen. Das brennende Gebäude zu seiner Rechten war eben das, in welchem Rasinski gewohnt hatte; die Flammen schlugen schon über den Giebel

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