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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Land umher werfen, leicht entbehren. Ja, ich hoffe, daß seine enge verwandtschaftliche Verbindung mit unserm Kaiserhause das Glück Europas bilden wird. Österreich wird der Vertreter des deutschen Volkes werden. Napoleon wird gern sehen, daß es in einem friedlichen Bündnis mit ihm stehe; dann wird er, weil man lieber starke Bundesgenossen hat als schwache, auch das Gedeihen des Landes auf alle Weise befördern helfen. Es mußte viel altes Unheil bei uns in Deutschland zerstört werden, bevor ein neuer Bau sichern Boden, freien Raum fand. Die verjährten Formen hat der französische Kaiser als Vertreter einer großen, jugendlich kräftigen, neu erwachenden Zeit vernichtet; was jetzt besteht, ist nur vorübergehend. Er selbst weiß, daß es nichts Festes ist, denn er selbst reißt ja täglich ein, was er für die Not des Augenblicks aufbaute, und läßt Völker und Fürsten gleich schnell ihre Pflichten wechseln und ändern. Ist aber erst das große Ziel seines gewaltigen Wollens erreicht, ist der Kontinent ebenso ein streng im Innern Zusammenhängendes als die Ländermasse, aus der er besteht, sich äußerlich verbindet: dann wird der große Mann einen festen, dauernden Grund legen, um auf demselben einen stolzen Bau für ferne Zeiten zu begründen. Dazu mußte dieser letzte Kampf gefochten sein. Niemand fühlt es so tief als ich, wie bittere Opfer der Demut, der Entsagung, des gebrochenen Stolzes Deutschland bringen mußte; aber sie werden nun ein Ende haben. Sie waren eine Vergeltung für alte, schwere Verschuldungen; die Geschichte erspart keinem Volke eine solche Buße für alte Vergehungen. Sie richtet nicht die Täter, nicht die Personen , aber die Taten , die Dinge mit unverbrüchlicher Gerechtigkeit . Und könnte Deutschland die Vorteile ableugnen, die es schon halb, nur durch die Zerstörung vieles Alten, Verderblichen gewonnen hat, obwohl das neue Gute noch nicht an die Stelle des Zertrümmerten getreten ist? Fragen wir uns ernstlich, ob es vor zwanzig Jahren gut bei uns war; wir müssen antworten: Nein! Es stand schlecht um alles, was das Glück eines Volkes bilden soll. Seit Jahrhunderten hat Deutschland nur Kriege mit sich selbst geführt. In unzählige Gebiete gespalten, gehorchte es hundertfacher Willkür. Die Einheit der Nation war verschwunden. Nur die Sprache bildete noch das innere, geistige Band. Tausend Schranken türmten sich einer freien, tätigen Entwicklung der Volkskräfte entgegen. Nur auf sein Inneres war der Deutsche gewiesen; das hat er redlich angebaut, aber die neue Erkenntnis konnte ihm noch keine lebendige Frucht in der Gestaltung seines Volkslebens gewähren. Eine stürmisch aufgeregte Flut brauste über Deutschland herein, und unter den rauhen Schlag ihrer Wellen verschwanden die alten, tiefeingegrabenen Spuren übererbter Vorurteile und Vorrechte, Beschränkungen, Hemmungen, Bedrückungen. Wir trugen diese Fesseln schon so lange, daß die Gewohnheit unser Gefühl gegen den harten Druck abgestumpft hatte; ja sie waren in unser Fleisch eingewachsen. Doch dürfen wir es nicht vergessen, wie leicht wir aufatmeten, als vor zwanzig Jahren die eherne Hand der Zeit zum ersten Male an diesen Eisenstäben unsers Gefängnisses rüttelte. Jetzt halten uns neue Bande gefesselt, die wir unwillig tragen. Allein so fest dürfen wir in unserm gerechten Schmerz und Zorn das Auge doch nicht schließen, daß wir nicht sehen sollten, wie wir, obgleich wir neue Fesseln tragen, doch der alten entledigt sind, unter denen wir seufzten. Nein, wir seufzten kaum, und das war fast schlimmer, denn wir sanken schon in jenen Zustand der tiefsten Unwürdigkeit des Sklaven hinab, der das Bedürfnis der Freiheit nicht mehr empfindet. Jetzt kennen wir es, und so dürfen wir nicht verzagen, ein Ziel zu erringen, das leuchtend vor uns schwebt; sei es nun durch eigene Kraft der Tat, oder durch eine glückliche Wendung der Weltgeschicke. Diese letztere aber könnte eben jetzt leicht eingetreten sein.«
    Arnheim hatte sich ins Feuer gesprochen; er redete für alle Parteien, und darum hörten selbst die entgegengesetzten ihn gern. Marie wurde durch seine Worte in tiefster Seele erquickt und ihre von sanfter Freude verklärten Blicke sagten ihm einen liebevollen Dank. Die Gräfin stand bewegt auf. »Wenn schon Sie so große Hoffnungen an diesen Sieg knüpfen,« sprach sie, »wie muß uns das Herz schlagen, uns, die wir in dieser Schlacht für die Freiheit des Vaterlandes kämpften! Wenn der Tag gekommen wäre, der lang,

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