Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
sind? Und wird diese Schlacht wirklich so segensreiche Folgen für uns haben, als die Hoffnungen geweckt sind?
    In diesen Gefühlen hatte man sich der Kirche genähert, deren weite Pforten geöffnet standen. Die Klänge der Orgel drangen den Eintretenden feierlich entgegen und mischten sich mit dem brausenden Schall der Glocken. Die Kerzen am Hochaltare brannten; vor allen Heiligenbildern waren sie angezündet. Das Volk erfüllte schon fast die geräumigen Hallen, doch noch immer neue Massen drängten heran. Mit Mühe gewann die Gräfin noch ihren geschlossenen Betstuhl, durch dessen Gitter man die ganze Kirche überblickte. Gegenüber auf dem Chor waren die Sitze der französischen Gesandtschaft; links sah man den Hochaltar, rechts die Kanzel. Die Vergitterung des Platzes war Marien angenehm, weil sie diesem Gottesdienste, ohne seine Formen mitzumachen, beiwohnen mußte, also nur als Zuschauerin erschien, während ihr Herz doch so dankbar für die Erhaltung der Ihrigen schlug, das Flehen ihrer Brust um eine segensvolle Wendung der Schicksale ihres Vaterlandes brünstig zu Gott emporstieg. Sie empfand es jetzt, wie die wahre Frömmigkeit, der wahre, feste Glaube keine Sekten, keine Formen des Gebets kennt. Ihr findet den Gott überall da, wo ihr wahrhaft zu ihm betet.
    Während die Gräfin und Lodoiska, den Rosenkranz in der Hand, niederknieten, blieb Marie still, aber andächtig auf ihrem zurückgezogenen Sitze.
    Arnheim war nicht mit in den Betstuhl der Gräfin getreten, weil die Sitte Männer und Frauen in der Kirche sonderte. Lodoiska betete mit der Glut einer Schwärmerin; ihr Auge heftete sich unverwandt auf ein gegenüberhängendes Marienbild. Leise bewegte sie die zarten Lippen, doch kein Laut wurde hörbar. In ihren Blicken glänzte das reinste Dankgefühl, die heilige Wehmut der Freude. Die Gräfin war ernst; auch kniend behielt sie die Majestät ihrer Haltung, denn die Hoheit leuchtete von ihrer freien Stirn. Das große, dunkle Auge hob sich von Zeit zu Zeit unter den langen Wimpern und blickte mit heiligem Ernst empor.
    Das Hochamt war geendet; die Frauen verließen die Kirche. Nahe an der Pforte kreuzten sich die Strömungen der Menge, so daß eine Stockung entstand stand. Von beiden Seiten kamen diejenigen, welche auf dem Chor gesessen hatten, die Treppe herab; von drei Seiten drang der Strom aus dem Schiff der Kirche heran. Arnheim hatte sich nicht wieder an die Frauen anschließen können; sie waren allein und hingen sich fest aneinander. Jetzt kam auch der französische Gesandte mit seiner zahlreichen glänzenden Umgebung die Stiegen herab. Der Strom des Gedränges führte sie dicht mit den Frauen zusammen. Allmählich sah sich Marie ganz von Uniformen umgeben; sie senkte das Haupt, um den mitunter sehr dreisten Blicken dieser Männer auszuweichen. Da hörte sie einige französische Worte von einer Stimme sagen, die ihr bekannt war. Sie wandte das Auge dahin, aber als habe sie auf eine Natter getreten, fuhr sie unwillkürlich scheu zurück und erblaßte, denn sie sah vor sich, das Profil halb gegen sie gewendet, den gefürchteten, verhaßten Beaucaire und zwei Schritte vor ihm auch St.-Luces. Ihre ganze Fassung mußte sie zusammenraffen, um sich nicht durch einen Schrei zu verraten; die Knie zitterten ihr, sie vermochte kaum einen Schritt zu tun. Sicher wäre sie niedergesunken, wenn das Gedränge der herausströmenden Menschen sie nicht gewaltsam aufrecht erhalten hätte. Ihre Empfindung glich der eines Wanderers, welcher plötzlich entdeckt, daß er sich neben einer schlafend im Grase liegenden Schlange zur Ruhe niedergesetzt hat; er weiß nicht, bringt ihm Flucht oder Verweilen Verderben. Wie Beaucaire und St.-Luces in diesem Augenblicke standen, war es unmöglich für sie, Marien zu sehen. Doch das konnte sie nicht wissen, ob sie nicht schon längst von beiden bemerkt worden war. O, was hätte sie jetzt darum gegeben, wenn sie wie Lodoiska und die Gräfin einen Schleier getragen hätte, um ihr Angesicht zu verhüllen! Sie beugte es herab, bedeckte es mit ihrem Tuch, suchte sich zu verbergen, soweit als es möglich war; doch der Strom des Gedränges trieb sie immer näher auf die Gefahr hin, und sie sah den Augenblick herankommen, wo sie Beaucaire berühren, Arm gegen Arm mit ihm stehen werde. Sie würde der Gräfin einen Wink gegeben haben, doch war jedes Wort gefährlich, konnte sie verraten. In Todesangst harrte sie stumm aus und ergab sich in ihr Schicksal. Nur ein stummes Gebet sandte sie zu

Weitere Kostenlose Bücher