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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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»Es sollten,« rief Lodoiska, von ihrem Mitgefühl hingerissen, aus, »jedem Heere Frauen und Mädchen folgen, um die Pflege der Verwundeten zu übernehmen.« – »Und hättest du den Mut zu einem solchen Unternehmen?« fragte die Gräfin lächelnd, aber doch ernsthaft. Lodoiska, welche wohl empfand, was ihr den Mut dazu verleihen würde, errötete hoch, erwiderte aber schnell: »Ja gewiß, ich traue ihn mir zu!« – »Ich weiß nicht,« sprach Marie mit zweifelhaftem Ton, »ob diejenigen, welche nahe Angehörige unter den Kriegern haben, nicht eine solche Verpflichtung fühlen sollten. Wir Mädchen müßten uns dessen vielleicht einer falschen Scheu und Behutsamkeit wegen enthalten; allein eine Frau, die ihren Gatten in der Gefahr weiß, sollte ihm wohl so nahe sein, um in der Stunde der Not zu seiner Hilfe herbeieilen zu können.«
    »Wenn es nur möglich wäre und gestattet werden könnte,« entgegnete Arnheim nicht ohne Bewegung; »uns Soldaten würde eine so holde Pflege mit doppelter Kühnheit dahin treiben, wo die Wunden zu gewinnen wären, denen wir ein so sanftes Glück zu verdanken hätten.«
    »Der Trost für die daheimbleibende Gattin,« bemerkte die Gräfin, »liegt wohl in dem Gefühl, daß der Mann seinen edelsten Beruf erfüllt, daß er für den Ruhm, die Ehre, die Freiheit oder Sicherheit seines Vaterlandes kämpft. Eine wirklich edle, des Mannes würdige Gattin wird so denken müssen und darum auch so fühlen lernen. Sie darf ihm das Opfer, welches nur seiner Persönlichkeit gelten würde, nicht bringen, weil sie gar nicht voraussetzen darf, ohne ihn zu beschämen, daß er es fordert. Der Mann, der den Umfang seiner Pflichten übersieht, weiß auch, daß er, wenn er in den Kampf zieht, dem Vaterlande Mütter und Hausfrauen zurücklassen muß, die die heranwachsende Jugend für künftige Zeiten pflegen, ja, daß Habe und Gut des einzelnen, welches vereinigt das Habe und Gut des Ganzen bildet, zum Besten des Ganzen sorgsam verwaltet werden muß. Durch diese Erwägungen scheinen mir die Pflichten einer Frau vorgezeichnet und erleichtert zu sein.«
    Nicht nur Arnheim, sondern auch Marie und selbst Lodoiska mußten bekennen, daß die Gräfin die Pflichten des Weibes in der würdigsten Weise erkenne; sie hörten mit Ehrfurcht zu; denn so ernste Selbstüberwindung sie forderte, dennoch verleugnete sie das sanftere weibliche Gefühl nicht, sie gestattete ihm seine Rechte, nur wollte sie ihm die alleinige Herrschaft nicht gönnen. »Im ganzen ist es gewiß so allein wahr und richtig,« sprach Marie; »doch kommen unstreitig auch Fälle der Ausnahme vor. Wenigstens werden wir sie, wenn sie eintreten, aus der Eigentümlichkeit der Charaktere erklären, oft rechtfertigen, bisweilen auch wohl bewundern können.« – »So ist es«, rief Arnheim lebhaft aus und heftete sein Auge auf das schöne, sanft entschlossene Wesen, das ihm, je näher der Augenblick des Abschieds rückte, teuerer und teuerer wurde. Doch beschloß er, mit männlicher Kraft seinen Gefühlen zu gebieten und Mariens Herz nicht in einem Augenblicke zu einer das ganze Leben umfassenden Entscheidung zu drängen, wo ihr kaum Zeit geblieben wäre, das Ja oder Nein auszusprechen.
    Die Stunden waren rascher als Minuten entflohen. Die Glocke der benachbarten Kirche schlug neun Uhr; das strenge Gebot der Pflicht gestattete kein Säumen mehr. Herzliche Wünsche begleiteten den Scheidenden; der Abschied war für alle bewegend; Arnheim mußte ihn beschleunigen, um sich nicht zu verraten.

Viertes Kapitel.
    Die nächsten Tage verstrichen den Frauen so still wie gewöhnlich. Die gewonnene Schlacht bildete für sie wie für alle Bewohner Warschaus noch immer den Hauptgegenstand des Gesprächs. Nach und nach wurden genauere Nachrichten darüber bekannt, weil jeder, der den Seinigen noch so eilig geschrieben, doch irgendeines Umstandes gedacht hatte. Die Erstürmung der großen Redoute war von mehreren kurz berichtet. Fast keiner, der nicht von den großen Verlusten, der Hartnäckigkeit des Kampfes, dem entsetzlichen Artilleriefeuer, den unbeschreiblichen Anstrengungen irgend etwas erwähnte.
    Nach drei Tagen erschien ein ausführlicher, amtlicher Bericht in den Zeitungen. Die Gräfin las ihn zuerst mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Ihr Herz schlug stolz, so oft der Tapferkeit der polnischen Truppen gedacht wurde; zumal aber, wo der Bericht von der Kavallerie sprach. Als sie zu Ende gelesen, ging sie zu Lodoiska und Marie hinüber, die, mit weiblichen

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