1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
womöglich, unsere Anwesenheit gar nicht erfahren, denn wir haben dringende Ursachen, sie zu vermeiden. Vielleicht aber haben Sie unser schon erwähnt und dann –«
»Gewiß nicht,« fiel. Arnheim rasch ein; »denn ich erinnere mich aus Teplitz her, daß Ihnen« – hier blickte er Marien an – »diese Herren schon bei der damaligen Begegnung nicht angenehm waren; mir sind sie es in der Tat auch nicht, und wir wechselten daher nur einige unbedeutende Worte miteinander. Auch dürfen Sie ganz unbesorgt sein, denn sie reisen noch heute mit mir in derselben Stunde ab.«
»Gott sei Dank!« rief Marie, die bisher mit angstvoller Spannung zugehört hatte und der nun die freudige Überraschung diesen Ausruf entriß. Arnheim war erstaunt über die Heftigkeit ihrer Empfindung, doch erlaubte ihm seine Bescheidenheit keine Frage. Allein Marie fühlte, daß sie sich zu erklären habe, wenn sie nicht den fremdartigsten Vermutungen preisgegeben sein wollte. »Sie müssen wissen, Herr von Arnheim,« begann sie daher, »daß ich die Ursache bin, weshalb die Frau Gräfin dem Besuch dieser Herren auszuweichen wünscht. Eine Kette von Vorfällen, zu deren Mitteilung ich nicht berechtigt bin, hat bewirkt, daß ich diese beiden Männer vermeiden, ja daß ich sie fliehen muß. Meinen herzlichen Dank würden Sie sich daher erwerben, wenn Sie jetzt und zu keiner Zeit, wo Sie denselben begegnen dürften, von meiner Anwesenheit hier etwas ahnen ließen. Es ist ein Dienst, den im ernstesten Sinne des Worts Ihre Landsmännin von Ihnen erbittet.«
»Ich würde mich für einen Elenden halten,« rief Arnheim lebhaft, »wenn ich Ihrem Willen auch nur mit einer Silbe, einem Blick entgegenhandelte.« – »Ich bin gewiß, daß Sie tun, was Sie vermögen, um mir etwas Unangenehmes zu ersparen,« sprach Marie freundlich und reichte ihm die Hand; »nehmen Sie meinen ganzen Dank im voraus dafür an.«
»Wenn Sie mir nur mehr, nur wirklich etwas, das einem Dienst, einer Tat ähnlich sähe, aufgetragen hätten! Wünschen Sie vielleicht nähere Auskunft über diese beiden Männer?« – »Ich weiß nicht, ob sie mir fruchten würde,« antwortete Marie; »doch sagen Sie uns, was Sie wissen, denn schädlich kann es mir nie sein, die Verhältnisse derjenigen genauer zu kennen, vor denen ich , mich zu hüten habe.«
»Es ist in der Tat wenig. Wie ich aus ihren Geschäften ersah, sind beide in der Zivilverwaltung, die zu der großen Armee gehört, angestellt, und zu diesem Zwecke begeben sie sich jetzt dahin. Ihre Tätigkeit scheint sich gegenwärtig besonders auf die Verpflegungsanstalten zu beziehen, die im Rücken der Armee angelegt sind und noch werden.« –»So würden sie vielleicht nicht zur Armee selbst abgehen?« fragte Marie und ein Schimmer der Hoffnung lebte in ihr auf.
»Ihre nächste Bestimmung ist Wilna; weiter vermag ich nichts anzugeben. Dorthin werden sie aber schon binnen einiger Stunden unterwegs sein.«
»Es ist auch hinreichend und beruhigend genug für uns«, sprach die Gräfin. »Aber Ihre eigene Abreise ist so nahe,« nahm sie mit Leichtigkeit eine andere Wendung, daß wir uns fast fürchten müssen, Ihnen durch die Bitte, den Überrest des Abends bei uns zu verweilen, die Zeit zu Ihren Vorbereitungen zu rauben.«
»Wenn Sie mir nur gestatten wollen, diese wenigen Stunden so glücklich zuzubringen; meine Geschäfte sind beendigt. Um neun Uhr empfange ich meine Abfertigung, um zehn Uhr bin ich zuverlässig schon eine gute Strecke von Warschau entfernt, denn ich habe meinen Wagen vor das Hotel des Gesandten bestellt. Also bis gegen die neunte Stunde –« – »Sind Sie mir der willkommenste Gast«, unterbrach ihn die Gräfin.
Es wurde Licht in den Salon gebracht und der Tee serviert. Das Wetter war wieder rauher geworden; der Wind rauschte herbstlich in den Bäumen und schlug gegen die Fenster. Dies erhöhte nur die Traulichkeit des Zimmers; selbst Arnheim vergaß, daß er dieses Glück nur in so flüchtigem Moment erhaschen sollte, daß er in wenigen Stunden durch die rauhe Hand des Krieges schon wieder von allem heimischen, geselligen Beisammensein, für lange Zeit, getrennt würde. Man sprach von der Schlacht, von den Opfern, die sie gefordert hatte, von den noch Beklagenswertern, die erst nach langer Qual das beruhigende Ziel des Todes erreichen würden. Arnheim schilderte mit Sachkenntnis die dringende Not, welche oft in den Lazaretten herrschte, den Mangel an Gerätschaften, besonders aber an verpflegenden Händen.
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