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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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das ganze Quartier über dem Kopf zusammen.« – »Die frischen Pferdegerippe dort auf der Seite,« sprach Bernhard und deutete mit dem Finger in eine engere Seitengasse hinein, »zeigen auch nichts Gutes an; sie sehen mir gerade so aus, als ob das Fleisch erst vor einer halben Stunde heruntergeschält wäre. Ich möchte meinen armen Klepper, so mager er ist, hier nicht eine Viertelstunde anbinden; denn schwerlich fände ich etwas anderes von ihm wieder als die Knochen. Auf einen sonderlichen Braten dürfen wir daher hier auch nicht rechnen.«
    »Nun, Lebensmittel sind hier,« entgegnete Rasinski, »oder die Befehle des Kaisers müßten aufs unverantwortlichste vernachlässigt worden sein. Ihr habt doch noch vorgestern gesehen, daß ein Transport herauskam, den der Kaiser billigerweise denen zusandte, die sich für uns schlagen und außer der Beschwerde, des Marsches noch die Gefahr des Kampfes tragen müssen.« Ein Adjutant unterbrach das Gespräch, indem er den Befehl brachte, rechtsab zu reiten, wo die Quartiere für die Kavallerie angewiesen seien.
    Rasinski nahm daher mit der kleinen Schar, die er noch um sich hatte, seinen Weg durch eine gewundene, halbeingestürzte Gasse und erreichte so einen freien Raum, wo einige große, steinerne Gebäude, die vermutlich zu Warenmagazinen gedient hatten, in den untern Geschossen Ställe für die Pferde, in den obern Quartier für die Leute darboten. Doch auch diese Häuser waren oft ganz verwüstet. Nur in den obern Stockwerken sah man noch hier und da ein Fensterkreuz; die Türen waren sämtlich ausgehoben, ja an einigen Stellen der gedielte Boden aufgerissen. Indessen gewährten die halbzertrümmerten Gebäude doch ein trockenes Obdach, und falls man nur Holz, Lebensmittel, Stroh und Futter für die Pferde herbeischaffen konnte, so schien der Aufenthalt darin doch, gegen die bisherigen Beschwerden gehalten, eine Zeit der Schwelgerei zu versprechen; denn in den meisten Zimmern fanden sich große steinerne Öfen, durch die man, selbst bei den nicht zu schließenden Fenstern, doch noch Wärme genug in den Räumen verbreiten konnte, um darin auszudauern.
    In wenigen Minuten waren die Quartiere bewohnt, die Pferde in die Ställe gezogen. Rasinskis regelmäßige, unermüdete Sorge hatte es bewirkt, daß er bis auf einige wenige, die der Anstrengung unterlagen, seit dem Tage von Dogorobuye die Seinigen beisammengehalten hatte. Da er nicht duldete, daß irgendeiner, er selbst aber am wenigsten, einen Vorzug genieße, waren auch die kümmerlichen Lebensmittel so verwaltet worden, daß niemand ganz leer ausging. Jetzt war es sein erstes, Boleslaw zum Empfang von Lebensmitteln für die Leute und Jaromir zu dem von Furage, jeden mit angemessener Mannschaft, abzusenden. Boleslaw nahm zwölf Mann und ging nach dem ihm bezeichneten Magazin. Hier fand er ein unbeschreibliches Getümmel. Es war nicht sobald bekannt geworden, daß in dem Gebäude Lebensmittel aufgestapelt seien, als die hungernden Soldaten und Nachzügler sich, wie ein Schwarm von Raben über einen Leichnam herfällt, um die Türen lagerten, und mit ihrem Jammer und Heulen die Lüfte erfüllten. Einigen gelang es, trotz der davor gestellten Wachen, eine Tür aufzubrechen und nun mit blinder Gier über die Lebensmittel herzustürzen und sie roh zu verschlingen. Man sah, sie fanden nur ihren Tod, und was Hunderte vom Verderben retten konnte, wurde frevelhaft vergeudet, um die rasende Begierde einiger wenigen zu stillen. Deshalb war es notwendig, so grausam die Maßregel erscheinen konnte, der gesetzlosen Gewalt eine gesetzliche entgegenzustellen. Die Aufseher der Magazine mußten regelmäßige Truppen herbeirufen, die mit dem Bajonett und dem Säbel auf ihre eigenen Kameraden eindrangen und sie zurücktrieben. Da dies aber nicht sogleich gelang, weil jedem der Hungertod entsetzlicher schien als der plötzliche durch die Waffen, wurde Feuer in den dichtesten Haufen gegeben. Jetzt stob er auseinander; doch er ließ den Boden mit blutenden Leichen bedeckt.
    Durch ein solches schauderhaftes Gewühl mußte sich Boleslaw Bahn machen; er tat es mit Ernst, aber zugleich mit tiefschmerzlichem Gefühl. Doch selbst der Berechtigten waren so viele, daß mehrere Stunden im Kampf und Gedränge verstrichen, ehe er die Lebensmittel, die ihm zukamen, empfangen konnte. Seine Leute gehorchten ihm noch und trugen das Empfangene, ohne es zu berühren, zu ihren Kameraden, um es mit ihnen zu teilen. Allein dies war nicht leicht. Mann an Mann

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