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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hatte? Fort mit euch! Wir werden noch genug finden, gegen die wir auswechseln können, die wir auswechseln wollen.«
    Indessen hatte Solanow oder Willhofen den vor Angst zitternden St.-Luces forschend betrachtet. Er sprach einige Worte russisch mit Dolgorow und fragte dann den Gefangenen: »Wie heißt ihr?« –- »Ich bin der Baron Rumigny von St.-Luces.« – »Rumigny!« rief Willhofen aus und seine Züge nahmen den Ausdruck des furchtbarsten Grimms an. »Allmächtiger Gott! deine Rache schlummert nicht!« rief er mit gen Himmel emporgehobenen Händen aus. »Elender, kennst du mich? Hast du vergessen, daß du – doch halt, hier – blick' her! Kennst du diesen? –« Dabei eilte er auf Ludwig zu und zog ihn heftig bis dicht vor Rumigny hin. »Sternfels ist sein Name! Die Toten stehen auf, um sich zu rächen! – Dieser ist der Mörder Ihres Vaters, der Mörder des wackern Waldheim – doch jetzt ist die Stunde der Vergeltung gekommen.«
    St.-Luces starrte totenblaß mit unbeweglichen Blicken auf Ludwig hin; er versuchte zu reden. Doch die Sprache versagte ihm. Ludwig war bis ins Innerste von der Gewalt dieser rätselenthüllenden Stunde erschüttert. Einen Augenblick wallte auch in ihm der Zorn auf, doch sein edler Sinn wies diese Empfindung schnell zurück. Nur Mitleid erfüllte seine Brust, als er den Elenden von Todesangst und Gewissensbissen gefoltert betrachtete, der unter dem Gewichte seiner Schuld zusammenbrach. »Willhofen,« redete er den alten Diener an, »mein ist die Rache, spricht der Herr! Laß den Allmächtigen ferner walten – wir wollen vergeben!«
    Willhofen hatte Tränen in den Augen; er beugte sich auf Ludwigs Hand und küßte sie. »Ein Herz wie der Vater! Er starb für seinen Freund – und wäre für seinen Feind gestorben.«
    Ludwig wollte sich Dolgorow nähern, um ein Wort der Gnade für St.-Luces zu versuchen; doch dieser schnitt ihm mit strengem Blick und Wort die Bitte ab. »Hier waltet das Gesetz«, sprach er fest. »Hat der Gefangene Ihnen ein Unrecht getan, so mag Ihre Vergebung ihm jenseits nützen. Hier schützt ihn nichts.« Er winkte mit der Hand einem Kosaken in seiner Nähe und sprach einige russische Worte. Sogleich wurde St.-Luces, den die Todesangst völlig gelähmt zu haben schien, abgeführt. Einige Minuten darauf fielen drei Schüsse; Ludwig durfte nicht zweifeln, wem sie gegolten.

Fünftes Kapitel.
    Dolgorow stieg wieder zu Pferde, nahm fast alle waffentragenden Männer zusammen und setzte sich an ihrer Spitze gegen die Landstraße hin in Bewegung. Willhofen und vier Landleute mit Spießen blieben zurück zur Bewachung der Gefangenen, denen man gestattete, sich an den großen Feuern zu wärmen; auch wurde etwas Brot und Branntwein unter sie verteilt. Ludwigs Herz sehnte sich nach Bianka. Er fragte daher Willhofen: »Was werden wir nun beginnen, lieber Freund? Welches wird meine, deine nächste Bestimmung sein?«
    »Ich muß hier den Befehl der Fürstin erwarten, die dort drüben bei der kranken Gräfin in der Hütte ist«, antwortete er. »Sie werden wohl die Rückkehr ihres Schlittens abwarten, der Verwundete nach dem Dorfe gebracht hat.«
    Die Bezeichnung Fürstin war Ludwig schon zuvor peinlich aufgefallen. Er fragte: »Ist die Fürstin denn nicht die Tochter des Grafen?« – »Jawohl,« erwiderte Willhofen, »aber an den Fürsten Ochalskoi verheiratet.« – »Verheiratet!« rief Ludwig und erblaßte. – »Oder besser, verheiratet gewesen,« fuhr Willhofen fort, »denn der Fürst ist tot. Ich glaube, unter uns gesagt, es ist gar nicht zur Ehe gekommen. Denn am Hochzeitsabend wurde das Schloß von den Franzosen überfallen und gestürmt, und der Fürst erhielt eine schwere Wunde, an der er endlich zu Moskau gestorben ist.« Ludwig horchte gespannt auf.
    »Hier auf dieser Stelle im Walde habe ich ihn eine ganze Zeit im Dickicht verstecken müssen, bis wir einen Wagen herbeischafften, um ihn mit der jungen Frau nach dem Jagdschloß zu bringen.« – »Hier, hier?« unterbrach Ludwig den Erzählenden, und eine erschütternde Ahnung bewegte seine Brust. – »Gerade hier; denn das Schloß liegt kaum eine Stunde von hier; man kann es nur vor der hohen Waldung nicht sehen. Dort drüben –« – »Wann geschah die Erstürmung?«
    »Am 17. August; ich weiß es noch wie heute.« – »Allgnadenreicher Gott!« rief Ludwig außer sich und warf sich auf die Knie. »Allmächtiger Lenker unserer Tage! Wer will wider dich murren! An welchen Fäden führst du unser Geschick!

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