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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Ewiger! Unendlicher! Nimm meinen heißen, tränenreichen Dank! Prüfe mich nun, so hart und schwer du magst, ich werde nimmer verzagen; kein Zweifel soll meine Brust bewegen; denn wunderbar hast du gewaltet und gewacht! Du wirst alles herrlich in deiner leuchtenden Weisheit vollenden!«
    Willhofen betrachtete den Betenden mit Erstaunen. Er ahnte geheime Beziehungen, doch wagte er nicht, danach zu forschen. Als Ludwig aufstand und in heftiger Wallung auf und nieder ging, trat er zu ihm und sprach, indem er seine Hand ergriff: »Das ist wacker, lieber Herr; Frömmigkeit ist eine hohe Tugend. Auch ich habe oft inbrünstig zum Herrn gebetet, und ich hoffe, auch er werde mich erhören. Hat er mich doch jetzt aus dem fernen Asien, wo ich vergessen von der Heimat als des Fürsten Ochalskoi Leibeigener lebte, wieder bis hierher geführt zu dem Sohne meines lieben Herrn. O, ich bitte euch, ihr scheint so viel bei dem Grafen Dolgorow zu gelten, ich bitte euch dringend, verwendet euch bei ihm um meine Freiheit.« – »Gewiß!« versprach Ludwig mit einem Handschlag. »Aber sagst du nicht, du seiest Leibeigener des Fürsten?« – »Freilich wohl; doch die Güter sind jetzt durch den Heiratsvertrag an den Grafen gefallen. Ach, wenn es von der Fürstin abhinge, mir die Freiheit zu geben – dann hätte ich sie längst. Den Grafen Dolgorow habe ich noch nicht darum zu bitten gewagt.«
    Ein Diener redete mit Willhofen. »Die Gräfin Dolgorow läßt euch herüberrufen, lieber Herr«, sprach Willhofen. »Folgt nur diesem Manne hier, er wird euch führen.«
    Ludwig ging pochenden Herzens. Der Diener führte ihn nach der flüchtig von Tannenzweigen erbauten Hütte hinüber. Bianka kam ihm auf halbem Wege entgegen; sie war freundlich, doch eine stille Schwermut schwebte auf ihren Zügen. »Ich werde Sie zu meiner Mutter führen«, sprach sie mit gedämpfter Stimme. »Sie haben sie schon auf unserer Flucht aus Italien kennen gelernt. Fühlen Sie sich nur nicht verletzt durch den vielleicht zu kalten, förmlichen Empfang, den Sie erfahren könnten. In diesem Lande kennt man die milden Sitten Deutschlands noch wenig; hier gilt der Rang alles, und der Nationalstolz und der Haß gegen Fremde sind in diesem Augenblicke beide so mächtig aufgeregt, daß kaum die Stimme der wärmsten Dankbarkeit sich dagegen zu erheben vermag.« – »Dankbarkeit?« entgegnete Ludwig. »Wer soll hier dankbar sein? Sie, der ich kaum bewußt einen leichten Dienst leistete, welcher das höchste Glück meines Lebens bildete, oder ich, der ich Ihnen alles, alles verdanke?« – »Sie wollen die Gegendienste, die der Zufall herbeiführte, in Anschlag bringen?« sprach Feodorowna. »Vielleicht gar auch, daß Sie nicht jetzt, da Sie in unsere Hand fielen, barbarisch gemordet wurden wie die andern Unglückseligen?« – »Sollt' ich auch,« antwortete Ludwig nach einigem Zögern, »der Warnung uneingedenk sein, die ich in Moskau empfing?« – »So haben Sie mich an meinem Zeichen erkannt?« fragte Feodorowna mit einem unaussprechlich liebevollen Blicke. – »Was könnte ich je vergessen, das ich durch Sie gekannt!« erwiderte er kühn.
    Ein leichtes Rot überflog die blassen Wangen des schönen Angesichts; sie senkte die Wimpern und sprach leise: »Auch mir sind die wenigen Stunden unvergeßlich geblieben, die wir zusammen zugebracht. O, daß Sie sich so schnell von uns trennten!« – »Wähnen Sie, es war mein Wille?« rief Ludwig. »O nein! So kränken Sie mich nicht! – Ein feindseliger Dämon führte uns auseinander. Er leitete meine Schritte irre; zu spät muß ich das Ufer erreicht haben.« – »Mein Vater drängte zur Eile«, unterbrach ihn Feodorowna. »Ich versuchte es durch ein Zeichen –«
    »O, ich habe es gefunden«, unterbrach Ludwig sie mit bewegter Stimme, ergriff ihre Hand und drückte sie an seine Lippen. »Doch erst am nächsten Morgen glänzte es mir, nach vergeblich irr durchwanderter Nacht, als ein Stern der Hoffnung entgegen. Nie vergesse ich den Augenblick, wo ich jenes Band rosig durch die Büsche schimmern sah. Noch in dieser Stunde trage ich es auf dem Herzen. Hier ist es!«
    Tränen drangen in ihr schönes Auge, als sie dies Zeichen der Liebe in der Hand des Geliebten erblickte. »Wir schlugen gleich jenseit des Stroms einen gefährlichen Pfad in das hohe Gebirge ein«, sprach sie bebend und suchte vergeblich ihrer Bewegung mächtig zu werden.
    »Und ich wähnte, Ihnen das Tal hinauf, über den Gotthard am sichersten zu folgen.

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