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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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wenig! Das wird euch Kräfte geben!« Bernhard brachte das Gefäß an die Lippen. Wenige Tropfen gaben ihm ein neues Gefühl des Lebens; die Macht der Freude vollendete das Werk der Genesung schnell. »Komm, Ossip,« sprach Willhofen zu dem Diener, »wir sind hier nicht mehr nötig, und es gibt noch anderwärts viel zu tun.« Beide gingen.
    »Bruder,« begann Bernhard gerührt, als sie allein waren, »an deiner Brust hast du mich wieder zum Leben erwärmt! Hier beschwöre ich dir's, bei den wunderbaren Wegen der Schickung, es ist kein Blutstropfen in meinen Adern, der nicht dir gehört! Beim Allmächtigen!« Er hob die Hand; in seine ermatteten Züge kehrte die edle, trotzige Kraft zurück, die mit der Federkraft des Stahls um so mächtiger aufstrebte, je härter der Druck des Geschicks sie zusammenzupressen drohte. »Nun erzähle aber,« sprach er, »wo sind wir, wie bist du entkommen? Was mich anlangt, mir ist außer einer grausenvollen Geschichte, durch die mir eigentlich das Leben von inwendig her erstarrte, denn sonst, jetzt fühle ich's erst, hätte mich die Kälte noch nicht überwunden, nichts begegnet, als daß ich im Walde umherirrte. Aber dir?«
    Eben wollte Ludwig sprechen, als die Tür sich öffnete und Feodorowna, mit zurückgeschlagenem Schleier, in Trauerkleidung eintrat. Ein Armleuchter, der auf einem Tisch neben der Tür stand, warf helles Licht auf ihre edeln, von der Freude sanft belebten Züge. »Sieh' dort unsere Retterin«, sprach Ludwig und deutete auf die Eintretende. – »Ihr Freund lebt? Dank sei dem gütigen Himmel!« sprach sie näher kommend, mit einer Stimme, in der die heilige Rührung ihrer Brust bebend vorklang.
    Bernhard hob das erstaunte Auge zu ihr empor. »Diese Züge kenne ich,« rief er plötzlich von unerklärlichen Gefühlen der Ahnung und Erinnerung durchschauert, »und ich weiß woher. Aber auch diese Stimme habe ich schon vernommen!« Ein ähnliches Staunen hielt Feodorownas Blicke auf Bernhards edles Antlitz gefesselt. Sein Anblick weckte wunderbare, schauernde, aber unerklärte Erinnerungen in ihr. Sie reichte ihm, von einem leisen Zuge des Herzens getrieben, die Hand dar. Bernhard beugte sich herab, um sie zu küssen; doch in dem Augenblick, wo er das Auge darauf heftete, fuhr er zurück, als erblicke er eine Geistergestalt, und stand mit bebenden Lippen, sprachlos, die Blicke unverwandt auf Feodorownas Antlitz gerichtet, da. Heftig streifte er mit der Hand über die Stirn und ins Haar, als fühle er dort einen lastenden Druck und Schmerz. »Was ist dir?« fragte Ludwig und trat teilnehmend näher. – »Nichts, gar nichts!« rief Bernhard wild und zitterte heftig am ganzen Körper. »Ein wahnwitziger Traum – doch ich rase um mich, wenn ich daraus erwache. Ums Himmels willen knüpfe mir doch hier diesen Knoten aus der Locke – ich kann sie ja nicht ausreißen!« Dabei riß er mit krampfhaftem Zucken in seinem Haar. Ludwig fühlte den Knoten im Haar und löste ihn leicht. Bernhards Ring fiel auf die Erde nieder; er griff hastig danach, nahm ihn auf, reichte ihn Feodorownen und sprach mit fliegendem Atem: »Mir deucht, dieser Ring sieht dem Ihrigen ähnlich, – ich vertauschte ihn einmal – in Warschau – er trägt die Buchstaben – Unsinniger!« rief er plötzlich und verzog ingrimmig die Stirn zu finstern Falten, »mache dich nicht selbst wahnsinnig durch solche Träume. Ludwig! Fasse mich an, damit ich weiß, ob ich wache!«
    Feodorowna hatte den Ring aus seiner Hand genommen, sie wollte ihn mit dem ihrigen vergleichend betrachten, doch ihr Auge verdunkelte sich. Zitternd sank sie auf die Knie nieder, faltete die Hände zum Gebet und flehte sanft mit gen Himmel gewandtem Blick: »Allgütiger! Prüfe mich nicht zu hart – wenn dies Herz sich täuscht, so bricht es – so viel vermag es nicht zu tragen – nimm mich in deine Huld!« Sie hielt die Ringe abgewendet vor sich hin und floh mit den Blicken seitwärts, als bebe sie vor dem grauenvollen Orakel, das sie verkünden sollten; dann preßte sie beide heftig an ihre Brust, als seien sie das Köstlichste, was sie auf Erden besitze, und als müsse sie sich jetzt auf ewig davon trennen. Plötzlich entschlossen heftete sie unverwandte Blicke darauf. Sie bebte, ihr Busen flog, die Rosenglut des Morgens hauchte ihre Wangen an – dann erblaßte sie zum Schnee der Lilie – die Ringe entsanken ihrer Hand – sie streckte die Arme verlangend gegen Bernhard aus, ihre Lippen bewegten sich, doch die Wallung der Brust

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