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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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teuersten meines Lebens! Und erstarrt – tot! O mein Bernhard! Das überlebt mein Herz nicht!« – »Vielleicht ist noch Hilfe,« sprach Feodorowna gerührt; »wir wollen versuchen, was möglich ist!« Mit diesen Worten näherte sie sich und legte die Hand auf das Herz des Erstarrten. »Mir deucht, er atmet noch«, sprach sie freudig. – »Nein, nein! Er ist tot, er ist dahin!« rief Ludwig fast besinnungslos. »Dieser Schlag zermalmt meine Brust! Nimm mich mit hinüber, mein Bernhard, ich verlasse dich nicht im Tode!« Mit krampfhafter Angst drückte er den Freund an sein Herz und preßte seine Lippen auf die kalten, bleichen des Erstarrten.
    »Wir wollen den Unglücklichen aufnehmen,« sprach Feodorowna mit dem Laut des weichsten Erbarmens; »vielleicht kehrt das Leben ihm zurück, wenn wir ihn mit warmen Hüllen bedecken. In einer Stunde können wir das Schloß erreicht haben, und dann soll kein Mittel unversucht bleiben, ihn zum Leben zu erwecken.«
    Ludwig war sprachlos vor Schmerz; er vermochte nichts als Feodorownas Hand zu ergreifen und sie gegen seine Lippen zu pressen. Sie zog sie sanft zurück; ihr Herz betete zu dem gütigen Vater im Himmel, daß er den unnennbaren Schmerz von ihrem Freunde abwenden möge. Willhofen und Ludwig hoben den Erstarrten empor. Als sie ihn an den Schlitten brachten, fragte die Gräfin Dolgorow: »Mein Gott, was soll das? Was soll mit diesem Leichnam werden?« – »O meine Mutter,« bat Feodorowna, »es ist ein Unglücklicher, in dessen Brust sich noch Leben regt. Vielleicht vermögen wir ihn zu retten.« – »Es ist unmöglich!« antwortete die Gräfin heftig; »hörst du die Wölfe nicht? Wir sind in Gefahr, wir können den Schlitten nicht mehr belasten, und ich sehe auch keinen Raum – mit einem Wort, es kann nicht sein, es soll nicht sein! Eilt, daß ihr vorwärts kommt; ich befehle es.«
    Willhofen stand unschlüssig. Ludwig aber warf sich zu Feodorownas Füßen nieder und rief: »Bei allem, was Ihnen heilig ist, beschwöre ich Sie, retten Sie mir den Freund, nehmen Sie mein Leben dafür hin!« – »Meine Mutter!« rief Feodorowna dringend, »die Menschlichkeit, das Gebot der Liebe–« – »Törin! Um einen Leichnam mitzuschleppen, sollen wir Lebenden eine Beute der Wölfe werden? Nein, sage ich, nein; ich befehle euch zu eilen. Auf der Stelle vorwärts!«
    »So bleibe ich hier,« rief Ludwig außer sich, »bis der Tod auch meinem jammervollen Leben ein Ende macht.« Er zog den Erstarrten an seine Brust, umhüllte ihn mit seinem Pelz und drückte ihn liebkosend an sich. »Mein Bernhard, du treuestes Herz auf der weiten Erde!« sprach er, und seine Tränen flossen unaufhaltsam. »Jetzt kommt der Tag der Vergeltung; ich verlasse dich nicht. An meiner Brust sollst du – du mußt wieder erwachen.« – »Solanow! Setze dich auf«, befahl die Gräfin mit krankhafter Heftigkeit. »Es kostet dir das Leben, wenn du noch säumst! Bleibe hier zurück, wer mag!« – »Mutter, Mutter!« rief Feodorowna und ergriff die Hand derselben, »es gilt ein Menschenleben – es gilt das unsers Retters!« – »Der jetzt unser Verderber werden will,« unterbrach die Gräfin; »komm zu mir, oder ich lasse auch dich zurück!«
    Man hörte in der Tat das Heulen der Wölfe näher und näher. Die Diener wagten nicht zu gehorchen, noch zu widersprechen. Feodorowna stand in einem heftigen Kampfe mit sich selbst. »Nun denn,« begann sie nach gewaltiger Anstrengung mit Hoheit, »so muß ich entscheiden. Muß ich zu meinem unermeßlichen Elend den Namen der Fürstin Ochalskoi führen, so soll er mir einmal wenigstens zum Heil gereichen. Mein sind die Rosse, diese Leibeigenen; ihr kennt euere Fürstin, euere Gebieterin! Bei euerm Leben befehle ich euch jetzt, diesen Hilflosen nicht zurückzulassen!« Sie stand aufgerichtet in gebietender Majestät vor den Leuten; der Gräfin verschlossen Zorn und Erstaunen die Lippe. »Eilen Sie, retten Sie sich mit uns und Ihrem Freunde«, sprach Feodorowna jetzt sanft zu dem halbbetäubten Ludwig. »Eilen Sie!«
    Willhofen sprang hinzu und half Bernhard vorn auf den Sitz bringen, wo Ludwig ihn mit seinem eigenen Pelz bedeckte und ihn mit seinen Armen fest umschlang. »Ich trete hier vorn auf die Deichsel,« rief der wackere Diener rasch, »so ist Raum für uns alle drei.« Auf den Sattel der Deichsel springend, ergriff er schnell die Zügel und rief; »Jetzt vorwärts, Bursche!«
    Die Pferde, welche, die Nähe der ergrimmten Wölfe witternd, schon ängstlich

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