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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dessentwillen er flüchtig werden mußte?« – »Waldheim«, erwiderte dieser. – »Waldheim?« rief Feodorowna überrascht und blickte Ludwig fragend an. – »So entdecken sich hier noch neue Fäden des wunderbarsten Zusammenhangs, doch weiß ich noch kein Mittel, um Gewißheit zu erlangen«, erwiderte dieser schnell.
    Indem trat Willhofen ein. »O ich Tor,« sprach Bernhard und schlug sich unwillig an die Stirn; »mußte ich das noch abwarten? Mein Scharfsinn muß in dieser Kälte erstarrt sein, sonst hätte ich wohl von selbst darauf kommen können, daß hier ein vollgültiger Augenzeuge lebt.« Er nahm die beiden Bildnisse, welche er von der Schwester erhalten, und wandte sich zu Willhofen. »Tritt heran, Freund,« redete er ihn an, »nur näher, ganz nahe zu uns hier an das Licht.«
    Willhofen näherte sich mit Bescheidenheit. »Solltest du wohl diese Bildnisse kennen?« Eine freudige Überraschung glänzte in den Augen des alten Dieners; er zitterte und vermochte kaum zu sprechen. »Ob ich sie kenne?« fragte er. »Ach wie liegt die ganze alte Zeit plötzlich vor mir! Habe ich sie denn nicht hundertmal in dem Zimmer des Herrn Rittmeisters von Waldheim zu Straßburg über dem Sofa hängen sehen? Das ist er ja, wie er leibt und lebt, und die gnädige Frau ebenfalls!«
    Kaum hatte Willhofen diese Worte gesprochen, als Ludwig ausrief: »Wie? Also mein Vater –« – »Opferte sich,« fiel Bernhard ein, »für den meinigen. Siehst du, Freund,« fuhr er bewegt fort, »so habe ich dir noch manche alte Schulden abzutragen, der neuen nicht zu gedenken, die sich dazu gehäuft haben!« – »Welch eine Verkettung!« rief Ludwig aus. »Welch ein Tag des Gerichts und des Lohns!« Er dachte an St.-Luces und Beaucaire, die in derselben Stunde von der Nemesis ereilt waren, wo das Schicksal ihm und dem Freunde die schönsten Kränze reichte, die aus der langsam gereiften Saat längstvergangener Jahre emporgeblüht waren.
    Feodorowna hatte bereits mit stummem Erstaunen zugehört; jetzt tat sie in der Überraschung die lebhafte Frage: »Also hast du meine Mutter gekannt, Solanow?« Der Diener stand erstaunt. »Die Gräfin Dolgorow?« begann er und stockte und sah Feodorownen mit seltsamen, staunenden Blicken an, als suche er in ihren Gesichtszügen eine Erklärung ihrer überraschenden Frage.
    Feodorowna war erschreckt, ihr Geheimnis verraten zu haben; Bernhard, der es merkte, sprach beruhigend: »Fürchte nichts, Beste, dieses Herz ist treu; ich verbürge mich dafür, doch darf nun nichts mehr Geheimnis für ihn bleiben.« Er setzte darauf Willhofen von allem in Kenntnis und empfahl ihm Verschwiegenheit und Vorsicht. Der alte Diener gelobte beides mit bewegter Stimme und reichte Bernhard seine Hand mit deutscher Treuherzigkeit zum Pfande. »Nun begreife ich erst,« sprach er, »warum mir die Züge der Frau Fürstin gleich das erstemal, da ich sie sah, so bekannt vorkamen. Ja, und wahrhaftig, mein junger Herr, die eurigen auch. Doch, vergeben Ihro Gnaden mein Geschwätz; ich kam eigentlich, um zu fragen, ob Ew. fürstliche Gnaden befehlen, daß angerichtet werden solle.« – »Die Gräfin Dolgorow muß zuvor befragt werden, ob sie zur Tafel kommen wird«, erwiderte Feodorowna, und Willhofen verließ, sich stumm verbeugend, ganz in der Weise seiner alten Dienstunterwürfigkeit, das Gemach.
    Er kehrte nach wenigen Minuten mit der Antwort zurück: die Gräfin sei so angegriffen und müde, daß sie sich bereits zu Bett gelegt habe. Es wurde angerichtet. Die Anwesenheit mehrerer Diener zwängte jetzt die warmen Regungen der Liebe unter den drei so eng verbündeten Seelen in das starre Gesetz äußerlicher Förmlichkeiten ein. Doch wußte Feodorowna auch selbst diesem Verhältnis eine solche Anmut und Freundlichkeit des Herzens beizumischen, daß sogar der Bruder mit williger Unterwerfung den Zwang ertrug, dem sein stolzer Sinn und das lebendige Gefühl seiner Rechte sich unterwerfen mußten. So entfloh auch diese Stunde auf pfeilschnellen Flügeln.
    Feodorowna stand auf; die Diener räumten ab und verließen den Saal. Feodorowna befahl, daß Willhofen in der Nähe bleiben und sich bereithalten sollte. Die vertraute Einsamkeit vereinte die Herzen wieder enger. »Nun bin ich wieder deine Schwester,« begann Feodorowna, indem sie sich mit liebenswürdiger Vertraulichkeit an Bernhard schmiegte, »nun gehöre ich wieder ganz dir.« – »Du Gute«, erwiderte er und blickte ihr in das unschuldige, treue Auge. »O mein Gott, so tief

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