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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Schwester,« begann Bernhard, »wo ich dich zuerst gesehen?« – »Dein erstes Begegnen war segensreich,« erwiderte sie, »du rettetest die Schwester aus dringenden Gefahren, die sie mit denjenigen bestand, denen sie das kindliche Herz ganz geweiht hatte.« – »Nein! Ich kannte dich schon viel früher«, sprach er lächelnd, »nicht in romantisch ländlicher Hütte, sondern mitten in dem Glänze der reichen, verderbten Welt habe ich dich zuerst gesehen. Aber ich erkannte den reinen Diamant deiner Seele mitten in der Fülle falscher, blitzender Steine, weil ich sie an einem andern Diamanten prüfen sah. Es war zu London in ›Romeo und Julie‹, wo ich die echten Perlen deiner Tränen schnell unterschied. Ich wollte die schöne Muschel rauben – erinnerst du dich nicht, Schwester?«
    »Wie?« fragte sie staunend und suchte aus dem lebenden Bilde des Bruders das ihrer Erinnerung zu verjüngen. »Wie? Wärest du jener junge Maler gewesen?« – »Kein anderer als ich«, unterbrach Bernhard. »Und noch gestern hätte ich dir den Beweis liefern können, denn Ludwig besaß das Bild längst. Der Bube Beaucaire raubte es uns. Doch wer war jener stolze, englische Narr, der mich forderte und nachher nicht auf den Platz kam?« – »O, mein Bruder,« entgegnete Bianka lebhaft, »so danke ich dir schon eine unermeßliche Wohltat. Der Engländer, Lord Glower, war der mir bestimmte Bräutigam. Jener Vorfall erzeugte einen Zwist zwischen ihm und meinem Vater, weil dieser es mißbilligte, daß der Lord sich dem Zweikampfe entzogen hatte. So wurde durch den beleidigten Stolz des Engländers ein Verhältnis gelöst, das meine Bitten und Tränen vergeblich abzuwenden versucht hatten.« – »Also Zwang wollte man dir antun?« rief Bernhard finster. – »Die Tochter,« antwortete Bianka sanft und fest, »glaubte gehorchen zu müssen; ihr Herz kannte damals die Liebe noch nicht. Aber sie allein wirft reines Licht auf die verworrenen Wege der Pflichten und leitet, wie der Morgenstern der Verkündigung, den irren Fuß zum Ziele.«
    »Doch du wurdest vermählt, Schwester?« fragte Bernhard; Ludwig schreckte zusammen bei der Frage. Bianka errötete hoch und senkte schamhaft den Blick. »Es geschah durch Zwang, daß ich jetzt den Namen einer Fürstin Ochalskoi trage,« sprach sie leise; »doch du wirst die Schwester gewiß freisprechen.« Sie erzählte jetzt in wenigen Worten die Geschichte ihrer Vermählung. Ludwig wurde im Innersten gerührt dabei, doch Bernhards stolzes Herz richtete sich ingrimmig auf. Er stand auf und ging unruhig im Gemach umher.
    »Liebe Schwester,« begann er nach einigen Minuten, »aus allem, was du erzählst, sehe ich, daß unser Heil hier an einem Haar über dem Abgrunde hängt. Wir haben eine Stunde in süßer Muße des Glücks genossen; doch die Notwendigkeit drängt zu handeln. Antworte mir, Schwester, weiß Graf Dolgorow, daß dir das Geheimnis deiner Geburt bekannt ist?«
    »Er weiß es nicht; ich schwieg, um Ruschkas Brüder nicht ins Unglück zu stürzen und um ungehindert nach dir forschen zu können.«
    »Und hegst du noch jetzt Besorgnis, dich ihm zu entdecken?« – »Die äußerste«, rief sie schnell. – »So würdest du fürchten müssen –«
    »Alles, mein Bruder, für dich, für mich – für deinen Freund«, setzte sie leise hinzu.
    »So müssen wir uns eigene Wege bahnen. Strenge Verschleierung des Geheimnisses ist vor allem nötig. Schwester, ich habe nur eine Frage zu tun. Willst du mit uns nach Deutschland ziehen? Kannst du Rang, Macht und Reichtum wegwerfen, um dem Bruder und dem Freunde zu folgen, die dir nichts bieten als ihr Herz, ihren Kopf und im äußersten Fall auch ihre tätigen Arme?« – »O mein Bruder!« rief Bianka und schlang die Arme um ihn, »fragst du wirklich, ob ich die heißesten Wünsche meiner Brust erfüllen will?« Und sie verschloß seine Lippen mit liebevollen Küssen und hing lange stumm in den brüderlichen Armen. – »Gut denn,« sprach Bernhard entschlossen, »so ist der Weg, den wir einzuschlagen haben, der, zu schweigen und zu flüchten, wenn sich eine günstige Gelegenheit darbietet; jetzt aber vor allen Dingen uns zu trennen, damit unser spätes Verweilen beieinander nicht Verdacht erwecke. Morgen wird uns ja wohl die Sonne weiter leuchten.«
    In Bernhards Bestimmtheit lag etwas Gebietendes, das fast unwillkürlichen Gehorsam fand. So gehorchte ihm denn auch Bianka und schied nach inniger Umarmung mit holdseligem Liebesblicke, indem sie durch die

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