1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
hast du mich noch nie in deinen Himmel blicken lassen!«
Ludwig stand im heftigen Kampfe mit sich selbst; sein Herz ertrug die bang schwebende Qual zwischen dem höchsten Glück und dem tiefsten Schmerz nicht länger. Doch er fühlte, daß nicht die Hand des Bruders, der seine Liebe kannte, ihm die Schwester zuführen dürfe, sondern daß er selbst mit freier Männlichkeit wagen und handeln müsse. Wer nicht selbst auf die Gefahr des Verlustes um das Höchste zu werben wagt, ist dessen nicht wert; dies rief ihm sein Herz zu, und er gehorchte, wiewohl bebend, dem Gebot der Ehre und Liebe. »Bianka,« sprach er mit bewegter Stimme, »denn die Schwester meines Freundes gestattet mir gewiß den Namen, der mir unvergeßlich süß von dem schönen Frühlingstage unsers ersten Begegnens herüberklingt – Bianka – auf meiner Lippe schwebt der höchste Wunsch meiner Brust, ahnest du ihn nicht, ehe ich ihn ausspreche – so bleibt er ewig in die Bande des Schweigens gehüllt. Doch spricht dein Herz – dann – laß es jetzt entscheiden.«
Sie errötete, eine süße Verwirrung malte sich auf ihrem Antlitz; zitternd erwiderte sie mit gesenktem Auge: »Mein Herz? – Ich weiß nicht – ob ich ihm gehorchen darf – entschieden hat es längst!« Hier barg sie das Haupt und das in süße Tränen überfließende Auge an der Brust des Bruders. Bernhard schloß sie sanft in die Arme. Ludwig ergriff bebend ihre Hand, doch wagte er es nicht, die holde Gestalt an seine Brust zu ziehen. Sein Ohr vernahm das Wort, das ihm den tiefsten Himmel der Seligkeit öffnete, doch sein Herz wurde von den Schauern banger Zweifel berührt, denn zu plötzlich, zu mächtig stand das Wunder der Erfüllung vor ihm. Er zitterte, daß die Gebilde des seligen Traums zerrinnen möchten; die Unendlichkeit seines Glücks raubte ihm die Kraft des Glaubens daran. Sie ließ ihre Hand in der seinen ruhen und zog sie nicht zurück, da er sie mit heißen Küssen und Tränen bedeckte; doch hielt sie das holde Antlitz noch immer sanft weinend an der Brust des Bruders verborgen. »Erröte nicht, meine Schwester,« sprach Bernhard mit bewegter Stimme, »wenn du das schönste Geständnis tun darfst; holder schmückt keine Rose die weibliche Brust als die Liebe. Dein reines Herz konnte nicht irren, es hat das Edelste erkannt und gewählt.«
Jetzt erhob sie das Haupt und das in Tränen glänzende Auge zu dem Bruder; dann wandte sie sich jungfräulich schüchtern zu dem Geliebten, der sie mit bebendem Verlangen näherzog. »O mein Gott,« hauchte sie und richtete das Auge dankbar gen Himmel, »womit habe ich denn dieses Übermaß deiner Huld verdient?« Wort und Blick erstarben in heiligen Tränen; hold neigte sie sich dem Freunde entgegen und sank stumm, selig betäubt, an seine Brust.
Achtes Kapitel.
Jetzt erst vereinigte das innigste Band die drei liebenden Seelen. Ihr Glück war so überschwenglich, daß es sie ganz erfüllte und jede Sorge, jeden Schrecken der Zukunft fernhielt. Doch in der Vergangenheit weilten sie und richteten die süße Betrachtung auf die ersten Augenblicke des Begegnens, wo der Keim zu dem holden Blütenbaum eingesenkt wurde, dessen Krone sie jetzt überschattete. Ludwig erzählte von jenem Tage, wo er zuerst den grünen Schleier auf einer weiten Schneefläche erblickte und, durch eine unwiderstehliche, ahnungsvolle Gewalt getrieben, dem schimmernden Ziele nacheilte. »O Bianka,« sprach er gerührt, »glaube mir, schon damals baute ich in schwärmerischen Träumen Zauberschlösser des Lebens auf, an die ich selbst nicht zu glauben wagte. Und jetzt hat eine Wunderhand uns mitten hineingeführt in die seligen Gefilde! Aber auch jetzt wage ich nicht zu glauben, daß alles wirklich ist, was ich um mich her sehe. Sprich, Geliebte, werden diese holden Gestalten nicht versinken? Reiche mir die Hand zum Pfande, daß du lebst, daß du mir wirklich nahe bist und nicht entschweben willst, wenn ich dich berühre.«
Sie gab ihm die Hand sanft lächelnd herüber. »Ja, ja, du bist es,« begann er wieder; »so lächeltest du, als ich dir zum erstenmal ins Antlitz blickte. Weißt du noch? Im Tal von Aosta, an jener Hütte, die die Reben traulich umrankten, wo die Kastanie ihre Zweige schattend über den Rasen breitete. O, dies Bild wird nie aus meiner Seele schwinden!« Sie blickte ihn mit dem Ausdrucke innigster Liebe an; der Silberblick einer Träne überglänzte ihr blaues Auge. »O es war schön dort!« sprach sie bewegt.
»Und weißt du,
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