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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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die Wunde? Ist sie tief?«
    »Nein, Bester,« sprach Bernhard, »mir ist recht leicht und wohl. Aber was ist geschehen?«
    »Noch weiß ich es selbst kaum«, erwiderte Ludwig. »Aber zuerst muß dir Hilfe werden.«
    Der Freund und die Schwester leiteten ihn auf sein Gemach. Hier wusch ihm Bianka selbst die Wunde und verband sie mit ihrem Tuche. Währenddessen trat Willhofen ein. Ludwig deutete auf ihn und sprach: »Dieser ist unser Retter; aber wie er es wurde, hat er uns noch nicht erklärt.«
    »Wahrhaftig, ich weiß es selbst kaum«, entgegnete Willhofen. »Ich hielt draußen auf der Brücke und wartete auf euch, lieber Herr, als ich plötzlich ein lautes Schreien und gleich darauf einen Schuß hörte. Da wandte ich mein Pferd um und sah die Leute aus der Torwärterstube nach dem Schlitten stürzen. Nun wußte ich, was es gab. Unschlüssig, ob ich fliehen oder bleiben sollte, sah ich von draußen den Lärm mit an. Als aber alle die Kerle die Treppe heraufstürzten und der Torweg leer ward, kam mir der Gedanke: Die gefangenen Franzosen müssen uns helfen! Wie der Sturmwind sprenge ich den Hof; der Kerl mit seiner alten Muskete, der vor der Tür des Gewölbes, wo sie eingesperrt sind, Schildwache stand, war sich keines Angriffs gewärtig; denn vom Pferde springen, ihn zu Boden werfen, ihm das Gewehr entreißen und ihm mit einem Kolbenschlage das Hilfeschreien verbieten, war eins. Das Tor ist nur von außen verriegelt; ich reiße die Riegel zurück, springe hinein, in der zweiten Tür steckt der Schlüssel, ich öffne und die Gefangenen sind frei. Schnell raffe ich das bißchen Französisch, das ich von meiner Jugend her weiß, zusammen und frage, ob sie Mut hätten, sich frei zu machen? Ich brauchte beim Henker nicht zweimal zu fragen. So kommt, rief ich, und sie folgten mir in den Hof. Als ich sie im Freien hatte, führte ich sie an einen Haufen Knüppelholz, der gleich rechts in der Ecke liegt, und hieß ihnen, sich rasch tüchtige Knittel nehmen und dann mir nach dem Tore folgen. Indessen laufe ich voraus, schließe das Außentor ab, damit mir die Burschen nicht etwa vor der Nase alle zum Teufel in den Wald hinausliefen und uns im Stich ließen, reiße aus dem Ofen der Wächterstube ein paar Brände heraus und trommle und winke sie nun herbei. Sie stürzen pfeilgeschwind heran, mir nach, die Treppen mit wildem Geschrei herauf und – das übrige wißt ihr ja. Jetzt sind wir des Schlosses Meister. Aber wir tun doch wohl, noch in dieser Stunde abzuziehen, denn man kann nicht wissen, was die nächste bringt.«
    »Braver Bursche,« rief Bernhard, »du bist ein Deutscher geblieben, mitten in Rußlands Steppen. Ich fühle mich kräftig genug, Freunde, laßt uns eilen, das Freie zu gewinnen.«
    »Der Schlitten ist noch angespannt,« antwortete Willhofen, »wir können augenblicks fort. Aber horch, was ist das?«
    Man hörte am Tore pochen und draußen Peitschenknall und das Schellengeläute eines Schlittens. Alle erschraken. »Nur ruhig! Wir wollen sehen, wer es ist,« sprach Willhofen; »sind es ihrer viele, so lassen wir sie nicht ein. Gegen wenige behalten wir die Übermacht, denn unsere Feinde hier sind schon unschädlich gemacht.« Damit ging er hinaus, um aus einem der vordern Fenster zu sehen, wer sich nahe.
    Nach drei Minuten kehrte er wieder und berichtete: »Gefahr hat es nicht, gnädigste Fürstin, es ist der Vater Gregorius!«
    »Den sendet mir der Himmel selbst!« rief Bianka. »O des gütigen Greises, der die Nacht und den Winter nicht scheut, um meiner Bitte, so schnell er es vermag, zu willfahren. Öffne, öffne – nein, ich selbst will ihm entgegen.«
    Sie eilte so rasch hinab, daß Willhofen ihr kaum zu folgen vermochte. Nach wenigen Minuten kehrte sie an der Seite des Greises, dem sie sich wie eine liebende, vertrauende Tochter anschmiegte, zurück. »Seht, mein Vater,– hier ist er – er ist wahrlich mein Bruder!«
    Bernhard stand ehrfurchtsvoll auf, denn das Antlitz Gregors glich dem eines Heiligen; eine sanfte Freude milderte den Ernst seiner Züge, sein Auge glänzte, eine staunende Verehrung der göttlichen Fügungen leuchtete aus dem frommen emporgehobenen Blick. »So wunderbar leitet der Unerforschliche unsere Schritte,« sprach er unwillkürlich stillstehend, »so führt er die Geschicke an unsichtbaren Fäden, die er allein zu knüpfen und zu lösen vermag! Sei mir gegrüßt, mein Sohn,« fuhr er nähertretend fort und legte die Hand auf Bernhards gebeugtes Haupt, »der Segen des Himmels

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