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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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das, ich fühle es, selbst über die Macht der Eltern ging. Ein waltender Gott hat meine Fesseln gelöst, noch ehe mich ihre Schmach berührte. Erkennen Sie den Wink des Allmächtigen! Beugen Sie sich seinem Willen und segnen Sie mit Liebe, was Sie nicht mehr ändern können. Das sei mein Lohn für die Stunde der unvergeßlichen Qual, wo ich mich Ihrem Willen beugte und alle Hoffnungen des Lebens begrub. Sie sind erstanden, mächtig erstanden durch den wunderbaren Rat des Ewigen. O gießen Sie den milden Tau des Segens über die jungen Blüten, vergiften Sie sie nicht mit dem kalten Tropfen des Hasses!«
    Die Gräfin wandte sich zwar weinend, aber ungerührt ab. Ihre Tränen waren nur die der Erbitterung. Dolgorow stand stumm, unbeweglich.
    »Frommer Vater Gregor!« bat Bianka mit fast erstickter Stimme, »o laßt ihr noch einmal euer mildes Wort ertönen. Euere geheiligte Stimme wird tiefer eindringen als die Bitte der Tochter.«
    Der Greis trat näher zu der Gräfin, redete aber zu beiden gewandt: »Liebet euere Feinde und tut wohl denen, die euch hassen, fordert das Gebot des Herrn von uns. Ihr sollt nur die geringere Pflicht erfüllen, Liebe mit Liebe zu vergelten, da nicht zu zürnen, wo keine Schuld waltet. Das übt der Wilde gegen den Wilden! Ihr werdet euch des nicht weigern. Bei der Gnade des Erbarmers, deren ihr bedürft in euerer letzten Stunde – und wißt ihr denn, ob die nächste nicht die letzte ist? – bei der sühnenden Liebe des Heilands ermahne ich euch, tut nach dem göttlichen und menschlichen Gebot und verhärtet euch nicht im Zorn!«
    »Es ist genug!« fuhr Dolgorow erbittert auf. »Ihr seid der abtrünnige Priester der Feinde geworden! Was wollt ihr jetzt von mir? Ich bin euer Gefangener. Die Fürstin Ochalskoi, die Tochter Rußlands, läßt den Grafen Dolgorow, ihren Vater, den Verteidiger der Heimat, durch Verräter fesseln! Es ist ihr geglückt, sie mag nun weiter bestimmen!« – »O Himmel, das ist zuviel!« rief Bianka und verbarg ihr Haupt an Gregors Brust, der den Arm sanft auf sie legte.
    »Schwester, komm, sonst breche ich, was ich dir gelobt«, sprach Bernhard dringend, vor Zorn bebend.
    Ludwig trat in edler Haltung vor und wandte sich zu Dolgorow. »Können Sie es ertragen, so vor dem eigenen Richter Ihrer Brust zu stehen? Hören Sie auf, das schönste Herz mit unwürdiger Lästerung zu kränken! Hier finden Sie kein Ohr, das durch solche Worte getäuscht wird.«
    Dolgorow antwortete nicht.
    Da erhob Gregor seine Hände zum Himmel und betete feierlich: »Himmlischer Vater! Schenke du dieser Reinen deine Gnade. Sie ist schuldlos vor dir!« Hierauf legte er die Hände segnend auf Biankas Haupt. »Hier empfange den Segen des Herrn! Sein sanfter Fittich soll sich über dich breiten und dich schützen vor dem Grimme des Bösen! Und folgte selbst der Fluch eines wahren Vaters dir nach, er sollte machtlos abgleiten von dem Schild, den der Herr durch mich über dich breitet. Ziehe nun in Frieden, wohin die heilige Stimme des Herzens dich ruft. Rein bist du von jeder Schuld, so wird auch das heitere Los der Guten dir werden!«
    Und mit diesen Worten wandte er sich ab und ging der Tür des Saales zu. Wankend folgte Bianka; Bernhard und Ludwig unterstützten und geleiteten sie.
    »Setzt euch nur rasch in den Schlitten, lieber Herr,« bat Willhofen, der sie draußen erwartete, mit dringender Eile, »wir müssen wahrlich fort. Aber verwahrt euch wohl, denn die Nacht ist kalt. Ich bin gleich hier fertig und setze mich dann zu Pferde, um mich warm zu reiten.«
    Ludwig folgte dem Rate des redlichen Freundes. Er half Bernhard mit der Schwester einsteigen, setzte sich als Führer auf den Schlitten und nahm zum zweitenmal die Zügel. Bianka hielt den Bruder, der sich noch von dem Blutverlust sehr ermattet fühlte und in der schneidenden Kälte auch die Schmerzen der Wunde empfand, sanft in ihren Armen. Jeannette setzte sich, da jetzt mehr Raum zur bequemen Lage Bernhards wünschenswert war, zu Gregor in den Schlitten.
    Willhofen hatte indessen die gefangenen Franzosen versammelt, die sich nach dem Kriegsrecht in der Schnelligkeit mit allen Kleidern, Lebensmitteln und Waffen versehen hatten, die im Schlosse zu finden waren. Er nahm den Führer derselben, einen jungen Offizier, beiseite und bedeutete ihn, was er zu tun habe. »Folgt nur der Spur der Schlitten,« sprach er, »so gelangt ihr bis an drei große Tannen, neben denen ein Wegweiser steht. Dort geht ihr rechts, wenn die Spuren unserer

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