Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
Schlitten sich links wenden. Alsdann erreicht ihr Smolensk in zwei Stunden. Die Nacht ist sternenklar und schneehell, ihr werdet genug sehen. Die Gräfin laßt ihr am besten hier auf dem Schlosse, den Grafen nehmt in euere Mitte als Geisel mit, wenn euch ja unterwegs ein Trupp Russen begegnen sollte. Ich stehe euch dafür, sie krümmen euch kein Haar, wenn sein Leben daranhängt. Und folgt ihr meinem Rat, so laßt ihn am Tore der Festung frei, denn es ist nicht gut, die Rache seiner Feinde zu arg zu reizen, und laßt ihr ihn mit guter Art zurückkehren, so kann's euch noch einmal zustatten kommen. Auf jeden Fall aber beeilt euch, das Schloß zu verlassen, denn hier seid ihr keine Stunde sicher vor ungebetenen Gästen. Wollt ihr aber reiten, so stehen im Stalle noch etliche Pferde, aber das Zaumzeug liegt im Schnee des Schloßgrabens hinter der alten Mauer. Nun gehabt euch wohl!«
    Jetzt schwang sich der Alte zu Pferde und sprengte zum Schloßtor hinaus. Die beiden Schlitten folgten ihm in voller Eile. Bald nach ihnen verließen auch die befreiten Gefangenen, ihre Geisel, Dolgorow, in die Mitte nehmend, im kleinen geordneten Trupp das Schloß.
    Noch einmal wandte Bianka das Haupt zurück. Wie die Türme des Schlosses hinter ihr schwanden, atmete sie freier und freier auf. Jetzt, da der düstere Wald sie in sein schauerliches Dunkel hüllte, lehnte sie das Haupt sanft gegen die Brust des Bruders und vergoß wehmütig süße Tränen unaussprechlicher Rührung.

Vierter Teil.
Zwölftes Buch.
Erstes Kapitel.
    Der Tag graute noch nicht, als Rasinski an der Spitze der Getreuen, die von seinem Regimente noch übrig waren, und inmitten des ganzen Zuges, den das abmarschierende Neysche Korps bildete, die Ringmauern von Smolensk verließ. Der Himmel war düster bezogen, kein Stern drang durch seine finstern Schleier; nur der matte Schimmer der Schneedecke, welche sich über die Gefilde breitete, warf einiges Licht in das tiefe Dunkel. Rings alles stumm und öde; das Rasseln der wenigen Kanonen, die noch fortzuschaffen waren, und das Klirren der Waffen unterbrachen allein die beklommene Stille; denn der Soldat selbst ließ keinen Laut vernehmen, sondern schritt stumm und düsterer Gedanken voll durch die Schneewüste hin.
    Nach einer Stunde hatte der Zug dieser Krieger, welche die letzten Scharen bildeten, die aus dem unwirtbaren Rußland auszogen, einen dichten Fichtenwald erreicht. Plötzlich ließ sich von hintenher ein dumpfes Krachen vernehmen und zugleich flammte ein Lichtschein gegen die Spitzen der alten Bäume. Alles horchte gespannt auf, denn im ersten Augenblicke glaubte man den Donner feindlicher Kanonen zu hören. »Es ist nichts,« sprach Rasinski zu Jaromir, der neben ihm ritt; »die Türme und Mauern der Festung werden aufgesprengt. Es ist das alte Recht des Kriegs, dem Feinde wenigstens nicht zu gönnen, was man selbst nicht besitzen kann.«
    Das schauerlich dumpfe Getöse dauerte eine Zeitlang fort. Der Tag fing jetzt an zu grauen. Der Zug der Krieger, der Wagen wurde allmählich sichtbar.
    »Behalte die Leute unter deiner Obhut, Jaromir,« sprach Rasinski; »ich will mich überzeugen, wie es unsern Verwundeten und Kranken ergeht.« Mit diesen Worten ritt er die Reihen entlang, bis zu den Wagen, auf denen man die Verwundeten, die noch Hoffnung zum Leben und zur Herstellung gaben, fortschaffte. Die übrigen hatte man der Menschlichkeit des Feindes überlassen müssen.
    Boleslaw, der von einem nicht gefährlichen Schusse in der Seite verletzt war, befand sich nebst einigen Kameraden des Regiments auf einem Wagen, den Rasinskis unermüdliche Fürsorge ihm verschafft hatte. »Nun, wie steht es, Freunde?« redete Rasinski die Seinigen an und reichte Boleslaw die Hand hinüber. – »So gut es kann«, antwortete der Jüngling, der mit bleichem Augesichte, tief in den Mantel gehüllt, den Kopf gegen die Kälte durch ein schwarzes Tuch verbunden, auf dem Wagen saß. »Hast du aber gar nichts ausgekundschaftet?«
    »Es war alles vergeblich,« erwiderte Rasinski düster; »das unersättliche Ungeheuer dieses Kriegs, das so viele Tapfere und Edle verschlungen hat, verlangte auch diese Beute! Wären sie von den Unsern gewesen, ich wollte nicht klagen! Sie sind der schönen Sache ihres Vaterlandes gefallen, würde ich tröstend zu mir sagen; der Kampf war ihre Aufgabe, sie mußten Blut und Leben daransetzen, wie wir andern auch. Diesem fällt das dunkle Los des Todes, jenem das heitere des Lebens – wir sind auf beides

Weitere Kostenlose Bücher