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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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durch eine heftige Bewegung, daß der Inhalt beunruhigend sei. Zwar blieb die Botschaft noch ein Geheimnis, doch liefen allerlei Mutmaßungen und Gerüchte von Mund zu Mund, die der Wahrheit nahekamen. Am Abend des folgenden Tages ließ sich diese nicht mehr verbergen, denn sie waren schon auf andern Wegen zu dem Heere gelangt – Minsk war verloren, vom Feinde besetzt. Als Rasinski im Biwak diese Nachricht von Regnard vernahm, wechselte selbst er die Farbe und bedeckte sich die Augen mit der Hand, als wolle er dieses Unheil nicht sehen. Dann brach er in die Worte aus: »So ist der Kaiser ein russischer Staatsgefangener!«
    Ein düsteres Schweigen herrschte in dem Kreise ringsumher, in dem Jaromir, Boleslaw, Ludwig und Bernhard gelagert waren. Mit fragenden Blicken hingen sie an dem Angesicht ihres Führers und suchten noch eine Hoffnung auf seiner Stirn zu lesen. Doch vergeblich! Sie rollte sich in finstere Falten und blieb von schwarzen Wolken des Grams verhüllt. »Also auch das noch«, sprach er nach langer Pause, indem er aufstand. »Und dieser Winter, der uns anfangs mit hinterlistiger Tücke einen Monat zu früh überfiel, verrät uns jetzt zum zweitenmal, da er uns verläßt, wo er unser Bundesgenosse werden könnte. Minsk, so hart der Verlust ist, wäre zu verschmerzen, wenn uns die Beresina nicht mit ihren sumpfigen Tiefen gefangen hielte. Ein russisches Heer am andern Ufer dieses Stroms ist wie ein eherner Riegel, der uns die Tore, welche aus diesem Tartarus führen, unwiederbringlich versperrt!« – »Uns bleibt keine Hoffnung,« erwiderte Regnard, »als die, daß der Feind vor uns unsere Lage hier noch nicht kennen kann; daß er uns vielleicht fürchtet, vielleicht zu täuschen ist.« – Rasinski schüttelte ungläubig das Haupt. »Kutusow, meint ihr, werde keinen Boten gefunden haben, Tschitschagow, Wittgenstein und wie die Führer jener Massen in unserm Rücken heißen mögen, zu benachrichtigen? Ein Dämon müßte sie verblenden, wenn sie jetzt das Netz nicht über den köstlichsten Fang zusammenzögen! Es bleibt uns noch ein Ausweg – der ehrenvolle Kampf und Untergang. Auf die Bahn der Schmach kann uns das Geschick nicht zwingen, das aber ist auch seine einzige Gunst.«
    Über Jaromirs Angesicht zuckte ein wehmütiges Lächeln, als Rasinski so sprach; Bernhard, der es bemerkte, erkannte daraus, welches die Hoffnung dieses im Tiefsten gebrochenen Herzens war. Seit der Unglückliche Alisettens Schicksal kannte, war außer dem verschlossenen Ernst, der seine jugendliche Freudigkeit seit jenem verhängnisvollen Abende zu Moskau in starre Fesseln geschlagen hatte, auch ein stiller Trübsinn über ihn gekommen, der oft einem weit hinweg verirrten Träumen glich. Der männliche Entschluß seiner Seele, durch energisches Handeln in seinem Beruf als Krieger die Schuld, mit der er sich beladen fühlte, zu versöhnen, war durch ein Versagen der Kraft, die außer der Grenze des Willens lag, gelähmt. Die klare kriegerische Besonnenheit, durch die er sich bisher in diesen Tagen der Bedrängnis selbst vor Boleslaw ausgezeichnet hatte, war verschwunden; das Elend um ihn her schien ihn ohne Anteil zu lassen, ja selbst die rührenden Freuden und Sorgen seiner liebsten Genossen, die Bernhards und Ludwigs um ihre Schwester und Geliebte, gewahrte er kaum, vollends daß er sie empfunden und geteilt hätte wie Rasinski oder Boleslaw.
    Mit tiefer Trauer hatte der stets beobachtende Bernhard diese Umwandlung des Jünglings im geheimen bemerkt. Und jetzt, als das Wort der Verurteilung über alle seine Genossen, über die nächsten, welche er aus tiefster Seele liebte, über den Ruhm des Heeres und des Kaisers, ja über das Schicksal seines Vaterlandes ausgesprochen wurde, als er die Freunde von dumpfer Erschütterung wie versteinert vor sich sah, jetzt lächelte er, als dringe endlich ein Strahl der Freude in das Dunkel seiner Schmerzen. Er glich einem Gequälten auf dem Todeslager, der den Engel der Erfüllung vor sich treten sieht. Bernhard wurde daher durch den Anblick des unglücklichen Freundes selbst jetzt mit schauerlicher Ahnung bewegt, wo der zermalmende Keulenschlag der Weltgeschicke, der alle zugleich traf, ihn ebenso betäubend erschütterte als die übrigen auch. Dies wäre unmöglich gewesen, wenn derselbe Augenblick die Gewißheit des Verderbens und die Erfüllung geboren hätte; doch wenn zwischen beiden noch ein Arm des Zeitstroms braust, so vertraut der Mensch, selbst unwillkürlich, sein Heil noch dem

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