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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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schicklich sei, wenn seine Schwester in der Begleitung so vieler fremden Offiziere eine Luftfahrt dieser Art unternähme, zumal, falls sie das einzige junge Mädchen dabei wäre. Ein großer Teil der Bewohner Dresdens war überdies streng deutsch gesinnt und haßte die Fremden als die Feinde und Unterdrücker des Vaterlandes, wenngleich Sachsen sich seit lange ihnen angeschlossen hatte und dem Kaiser sogar den Schein einer bedeutenden Erhöhung und Vergrößerung dankte. Marie teilte diese Gesinnung auf das lebhafteste; doch wäre dies auch nicht der Fall gewesen, so gab es doch zu viel Geachtete in der Gegenpartei, bei welchen ein junges Mädchen durch den öffentlichen Umgang mit den im allgemeinen nicht im besten Rufe stehenden Offizieren der Armee in ein zweideutiges Licht gestellt wurde. Die ganze Sache war ihm daher sehr unangenehm und er überlegte noch, in welcher Weise er seiner Mutter den Vorschlag tun sollte, als er diese mit Marien und mehreren andern Damen die Terrasse herankommen sah.
    Noch ehe er sich entschlossen hatte, ob er ihnen entgegengehen sollte oder nicht, hüpfte Marie, die ihn bereits von weitem erkannt hatte, mit leichten Schritten aus der Reihe der übrigen hervor, auf ihn zu und rief ihn an: »Da bist du ja, Bruder! Sei herzlich gegrüßt.« Bei diesen Worten lächelte sie ihn überaus freundlich an und bot ihm die Hand. »Du bist mir noch so neu,« fuhr sie fort, »daß, wenn ich dich eine Stunde nicht gesehen habe und dich dann wieder treffe, es mir scheint, als kommest du eben erst an und ich müsse dich neu begrüßen.«
    »Du Gute,« sprach Ludwig und liebkoste ihre Hand, »glaubst du aber, daß es mir anders geht?«
    Marie lächelte ohne zu antworten. Dann sprach sie: »Nun komm einmal rasch mit mir, du sollst alte Bekannte wiedersehen; ich bin neugierig, ob du sie erkennen wirst.« Mit diesen Worten zog sie ihn auf die Damen zu, welche in einiger Entfernung, auf einem Platze, den eine Bank verzierte und wo man einen angenehmen Blick über die Gegend hatte, wie es schien, absichtlich stehengeblieben waren, um Ludwig zu erwarten.
    Er trat, von Marie geleitet, etwas verlegen näher. Eine ältere und zwei jüngere Damen befanden sich in Gesellschaft seiner Mutter. Die jungen Mädchen lächelten angenehm, als sein Blick zweifelhaft auf ihnen weilte; die ältere Dame hatte das mit einem großen Hut bedeckte Haupt ein wenig geneigt, so daß man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Es schien, daß sie nicht erkannt sein wollte, um die Töchter nicht zu verraten, in denen Ludwig mit Recht zwei Kinder vermutete, die während seiner Abwesenheit zu Jungfrauen herangeblüht waren. Seine Mutter lächelte ihn seltsam an. »Er hat ein treuloses Herz,« sprach sie endlich; »er vergißt seine Schwüre, wie die Männer alle.« Eins der beiden jungen Mädchen erglühte bei diesen Worten wie die lieblichste Rose, die andere verzog den frischen Mund zu einem anmutigen Lächeln. Jetzt hob auch die ältere Dame den Kopf in die Höhe und blickte Ludwig an. »Beste Tante!« rief dieser plötzlich, »wäre es möglich! Emma und Julie?« – »Freilich,« sprach die ältere Dame, »aber ist es erlaubt, seine nächsten Verwandten zu vergessen?«
    Ludwig küßte der Tante die Hand; wie er die Töchter begrüßen sollte, wußte er nicht, denn obgleich er seine ganze Jugendzeit mit ihnen verlebt hatte, so tritt doch zwischen dem gereiften Jüngling und der herangewachsenen Jungfrau, zumal wenn in der Zeit der Entwicklung eine lange Trennung stattgefunden hat, eine natürliche Entfremdung ein, die sich den vertrautesten frühern Verhältnissen entgegenstellt. Er blieb also bei einem Begrüßen mit freundlichen Worten und einem, wiewohl etwas wärmern Kuß und Druck der Hand als bei der Mutter.
    Emma und Julie waren Ludwig nahe verwandt, denn ihre Mutter Elisabeth war die Schwester der seinigen, Witwe wie sie, und lebte mit ihren Töchtern auf einem kleinen Landgute einige Meilen von Dresden. In den Knabenjahren hatte er oft Wochen und Monate daselbst zugebracht, so daß zwischen ihm und den blühenden Mädchen die kindlichsten, offensten Verhältnisse bestanden. Sie waren mit ihrer Mutter unvermutet in die Stadt gekommen, um den Kaiser zu sehen, und dem, was sich sonst von öffentlichen Festlichkeiten an seine Gegenwart knüpfte, beizuwohnen.
    Es fand die freudigste Überraschung von allen Seiten statt und das Wiedersehen wäre gewiß noch herzlicher gewesen, hätte der Ort nicht einige Zurückhaltung geboten. Daher

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