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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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wüstes, herz- und heimatloses Umhertreiben auf der großen Landstraße öffentlicher Ereignisse ist, irgend etwas einladender und reizender sein als ein vertrauter, herzlicher Familienkreis?«
    »Ich hatte geglaubt,« bemerkte Ludwig, »nur die drückende Enge solcher Verhältnisse könne der Krieger empfinden.«
    »O lieber Freund, Sie glauben nicht, wie hoch man das Glück eines häuslichen Herdes schätzen lernt, wenn man fühlt, daß man überall ein Fremdling ist. Ein Tag auf diese menschlich schöne Weise zugebracht, nachdem man mondenlang in der Öde umherstreifte wie ein aufgescheuchtes Wild ohne Lager, wird ein unschätzbares Glück. Freilich werden auch wehmütige Empfindungen dadurch geweckt, denn man sieht goldene Früchte, die man nicht brechen darf; aber es tut doch so wohl, einmal auch durch unsere Umgebungen und Verhältnisse daran erinnert zu werden, daß es eine Zeit gab, wo man ebenfalls Sohn, Bruder, vielleicht Gatte und Vater sein durfte!«
    »Hm,« sprach Bernhard, »es ist etwas Wahres daran. Halb und halb habe ich selbst seit langer Zeit die Rolle des Ewigen Juden gespielt und darum gelüstet es mich zuzeiten nach Ruhe; aber auf die Dauer möcht' ich sie doch nicht mit einer andern vertauschen. Ich habe einen unüberwindlichen Abscheu, eine wahre Angst vor der Schlafmütze und den Pantoffeln; keine Festungsmauer, kein Kerkergitter, keine Galeerenketten würden mich so beengen.«
    »Wer daran gewöhnt ist,« meinte Rasinski, »den Himmel des Lebens täglich zwischen Sturm und Sonnenschein wechseln zu sehen, der fühlt sich allerdings auch durch das Ermüdende einer steten Heiterkeit beengt. Wer sich aber stetig und treu einer Weise gewidmet hat, der sieht in der eintönigen Farbe tausend leise Schattierungen, die dem zarter gewöhnten Sinn ebenso genügen, ihm dasselbe Wechselspiel des Lebens vorzaubern; natürlich muß er alle scharfe Trennungen, alles Gewaltsame, alle Risse, Spalten, Klüfte und Abgründe, die die schöne Ebene seiner Tage unterbrechen könnten, scheuen. Gewinnt man aber wohl, wenn man sich an die stärksten Reizmittel gewöhnt? Werden wir nicht bald so abgestumpft, daß wir den Wechsel zwischen Eis und Glut kaum noch beobachten? So führen unsere stumpf gewordenen Sinne zuletzt eine ähnliche Monotonie herbei, nur mit dem Unterschiede, daß in unserer Lebensweise stets ein rauher, wilder Ton der vorherrschende ist, dort eine süßere Melodie die Seele erfüllt und sanft erfreut.«
    »Der Fluß ist gut für den Nachen, der Ozean für das Kriegsschiff«, warf Bernhard leicht hin. »Jener wird von den Wellen des Stroms verschlungen, dieses bleibt auf den Sandbänken des seichten Fahrwassers hängen. Was mich anlangt, ich halte es mit dem hohen Meer; bisweilen muß ich darauf hinaus, und etwas Sturm und Schiffbruch würzt mir die Fahrt. Lege ich auch einmal an einem grünen, stillen Eiland an, so treibt mich doch der nächste günstige Wind schon wieder hinaus in See. Doch auf etwas anderes zu kommen. Deine Einladung, Ludwig, gefällt mir nicht. Haben wir nicht einen Maitag mit Sonnenschein und blauem Himmel? Soll man sich da zwischen vier Wände einpferchen? Ich denke, wir machen zusammen eine Fahrt ins Freie.«
    »Gern,« antwortete Ludwig, »so schlage ich eine Elbfahrt vor.« – »Herrlich!« rief Rasinski, »ein Tag im Freien, unmittelbar unter dem Angesicht des Himmels zugebracht, verknüpft die Menschen schneller und wahrhafter als ein Jahr des Umgangs im Gesellschaftssaal.« – »Gewiß«, sprach Ludwig bewegt, denn er gedachte dessen, was ein Tag ihm gebracht und geraubt hatte.
    »Wann denn also?« fragte Bernhard. »Ich denke drei Uhr ist die günstigste Stunde.«
    »Wohl«, entgegnete Ludwig. »Ich eile, den Nachen zu bestellen. Doch bitte ich jedenfalls, daß wir uns in der Wohnung meiner Mutter zusammenfinden, denn falls irgendein Hindernis eintreten sollte, würde wenigstens mein erster Vorschlag ausgeführt.«
    Nach diesen Worten trennten sich die Freunde, jeder um seinen besondern Wegen nachzugehen. Ludwig blieb einen Augenblick am Rande der Terrasse stehen, blickte den Strom hinauf und überlegte bei sich selbst, wohin man wohl die Wasserfahrt am besten richten möchte. Der Vorschlag dazu war ihm eigentlich durch Überraschung entlockt worden, indem Bernhard mit seinem rauh heftigen Wesen und Rasinski durch die Freude, mit welcher er den Gedanken auffaßte, den Tag im Freien zuzubringen, ihm keine Wahl gelassen hatten. Doch empfand er wohl, daß es nicht ganz

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