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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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trieb Marie zum schnellen Nachhausegehen an, damit man sich in der freundlichen Wohnung so recht in ungestörter Vertraulichkeit beisammenfinden möge.
    Es war nahe an Mittag, und es begann sehr warm, fast schwül zu werden; am fernen Horizont stiegen Dünste auf, die sich zu Gewölk zu sammeln drohten. Ludwig sah es nicht ungern, daß das Wetter sich zu ändern schien, denn es gab ihm einen schicklichen Vorwand, die übereilt angeordnete Wasserfahrt rückgängig zu machen. Indessen war er zu offen, um der Mutter zu verschweigen, was geschehen war; er zog sie einen Augenblick beiseite, sagte ihr geradeheraus, welche Unbesonnenheit er begangen hatte, und fragte sie um Rat, wie man am schicklichsten ausweichen könne, ohne zu verletzen. Wider sein Vermuten entgegnete die Mutter freundlich: »Es ist mir gerade nicht angenehm, so öffentlich mit fremden Offizieren zu erscheinen; indessen liegt, zumal da es Polen sind, die wir ja als halbe Landsleute betrachten müssen, da ihr Herzog unser König ist, nach meinem Gefühl durchaus nichts entschieden Unschickliches darin. Und nun vollends die Schwester und die Nichten hereingekommen sind, so darfst du ganz ruhig sein und die Entscheidung nur der Gunst oder Ungunst des Wetters überlassen.«
    Seltsamerweise kann uns eine augenblickliche Sorge oder Widerwärtigkeit oft mehr in Anspruch nehmen als ein durchgehender tiefer, schon lange getragener Schmerz; dies war mit Ludwig der Fall gewesen, und darum fühlte er sich nach dieser Erklärung sehr wohl zu Sinne, ja er wurde fast heiter. Inmitten seiner beiden, hold aufgeblühten Jugendgespielinnen, die sich, schnell wieder vertraut, an seinen Arm gehängt hatten und mit mädchenhafter Neugier von den Wunderdingen, die er auf seiner Reise gesehen haben mußte, unterhalten sein wollten, gewann er eine angenehme Gesprächigkeit. Seine Seele öffnete sich den zauberischen Erinnerungen an die harmlosen Tage der Jugend; es war ihm, als schaue er von dem Gipfel eines durch dunkle, die Aussicht verschließende Waldschluchten mühsam erklommenen Berges in ein stilles Tal zurück, das er mit lieben Nachbarn lange gemeinschaftlich bewohnt habe. Freilich lag es schon in verdämmernder Tiefe und Ferne hinter ihm, aber das Auge konnte ja alle die gewohnten Pfade und heimischen Plätzchen durchspähen, auf denen es dem Fuß nicht mehr vergönnt war zu wandeln. Fragten daher Julie und Emma nach dem Ätna und Vesuv, so gab er ihnen einen kurzen, muntern Bescheid, erkundigte sich aber gleich nach den beiden Weinhügeln, die auf dem Gütchen der Tante lagen und wo er so manchen frohen Tag zugebracht hatte. Forschten die aufhorchenden Mühmchen nach dem Kolosseum, so wollte er dagegen wissen, ob das Gartenhäuschen noch stehe, das er selbst mit bauen geholfen, und tausend ähnliche kleine Beziehungen mehr. Marie, die nur ungern den Platz am Arm des Bruders abgetreten hatte, ging bald neben ihnen, bald voran und sah sich bei jeder Frage und Antwort mit stillvergnügten Blicken um, weil sie sehen mußte, welchen Eindruck sie hervorbrachten. Denn es tat ihr ebenso wohl, wenn sie sich in dem weitgereisten Bruder stolz fühlen konnte, als wenn sie ihn lieben mußte, weil er so treu noch die kleinsten, unscheinbarsten Freuden seiner Jugend in Erinnerung behalten hatte. So erreichte man die Wohnung. Hier machte die Mutter den Plan mit der Wasserfahrt bekannt, der von den unbefangenen Mädchen mit großer Fröhlichkeit aufgenommen wurde. Damit man schnell bereit sein möchte, traf Marie sogleich die Anstalten zu dem Mittagsessen und ließ Ludwig mit den beiden Mädchen und den Müttern allein, wobei sie jedoch die Bedingung machte, daß er nichts erzählen dürfe, als was er schon früher berührt hatte. »Denn,« sprach sie, »die Mutter hört es gern zweimal, und ich darf nichts verlieren.«
    Kaum hatte man sich gesetzt, als es an die Tür pochte. Auf Ludwigs »Herein!« trat Bernhard ins Gemach. Er wurde als vertrautester Jugendfreund Ludwigs mit großer Freundlichkeit von dessen Mutter empfangen; auch Julie und Emma erinnerten sich seiner noch sehr wohl, da er ihnen vielfach kleine Zeichnungen geschenkt, oder auf ihre kindischen Bestellungen sogar besonders verfertigt hatte.
    »Du wirst erstaunen, lieber Freund!« begann Bernhard, »mich so vorzeitig hier zu sehen. Allein es sind wichtige Dinge im Werke, die ich dir mitteilen mußte. Der ganze Hof will nämlich heute hinaus nach Pillnitz, um den Porsberg zu besteigen und nachher mit Fackeln

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