1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
herunterzufahren. Da glaubte ich denn, daß es den Damen vielleicht angenehm wäre, diesem Schauspiel beizuwohnen, was jedoch wohl ein früheres Aufbrechen nötig machen dürfte, zumal wenn es bei einer Wasserfahrt bliebe, wo wir stromaufwärts etwas lange Zeit zubringen würden. Noch weiß außer mir, dem es eben der Hofmarschall gesagt, kein Mensch in Dresden von der ganzen Sache, wodurch wir bedeutend in der Konkurrenz um Wagen oder Gondeln wie auch um Platz in Pillnitz selbst gewinnen.«
Bernhards Nachricht wurde, von den beiden Landmädchen besonders, mit großer Freude gehört; Ludwigs Neigung wäre zwar die gewesen, in einer einsamern Gegend der Natur und des herrlichen Wetters zu genießen, indessen war er auch zu Bernhards Vorschlag freudig bereit. Man beschloß, die Abfahrt zu beschleunigen, aber nicht mehr eine Gondel, sondern zwei Wagen zu wählen, deren Besorgung Bernhard mit Gefälligkeit übernahm, indem er sich zugleich anheischig machte, den Grafen Rasinski und dessen jüngere Begleiter aufzusuchen und sie von dem geänderten Plane zu benachrichtigen. Er entfernte sich daher sehr bald wieder. Währenddessen war Marie mit den Vorbereitungen zu dem einfachen, häuslichen Mittagsmahle fertig geworden, man setzte sich und brachte eine sehr heitere Stunde miteinander zu, wobei sogar Ludwig fast vergaß, wie tiefe Wunden in seinem Innern bluteten.
Es hatte kaum zwei Uhr geschlagen, als einer der beiden von Bernhard bestellten Wagen schon vor die Tür des Hauses rollte; wenige Minuten später folgte der zweite, in welchem die drei Offiziere und Bernhard bereits saßen. Ludwig eilte hinab, um sie zu empfangen und heraufzuführen. Als sich jetzt die Tür des Gemachs öffnete und der hohe, männlich schöne Rasinski mit dem edelsten Anstande eintrat, war ein freudiges Erstaunen in den Zügen der versammelten Frauen nicht zu verkennen. Die drei Mädchen erröteten gleich darauf in dem allerdings richtigen, wiewohl nur dunkeln Gefühl, daß der Eindruck, den die Erscheinung des Polen auf sie machte, sich durch ihre Züge verraten habe. Überdies kontrastierte der natürlich vornehme Anstand Rasinskis, welcher durch den Glanz seiner reichen Uniform noch erhöht wurde, auffallend mit der Einfachheit des bürgerlich schlichten Gemachs und der häuslichen Tracht der Frauen. Sogar Ludwigs Mutter, der die Gewandtheit im Verkehr mit höhern Personen durchaus nicht fehlte, war einen Augenblick überrascht, ja fast verlegen; doch die wohlwollende, freundliche Weise Rasinskis und seine große Leichtigkeit in geselligen Formen ließen diesen Zustand nur einen Augenblick dauern. Da Ludwig ihn der Mutter mit der Bezeichnung vorgestellt hatte: »Der Graf Rasinski«, sprach er angenehm: »Meine Anrechte an das Herz Ihres Herrn Sohnes sind noch zu jung, um mich darüber beschweren zu dürfen, daß er mich nicht als seinen Freund vorstellt, sonst würden die ersten Worte, die ich mit Ihnen wechsele, in einer Anklage bestehen müssen.«
»Doch muß mein Sohn,« entgegnete die Mutter, »sehr auf seine Freundesrechte zählen, weil er Sie allein im Vertrauen auf diese in einen Kreis einführen durfte, der Ihnen nichts bieten kann als Gaben, die nur in innig befreundeten Beziehungen Wert gewinnen.« – »Es sind die einzigen, die ich schätze, die mir aber auch über alles teuer sind«, entgegnete Rasinski lebhaft.
Ludwig machte nun auch die übrigen Personen miteinander bekannt, ein Geschäft, welches ihm durch die angenehmen gesellschaftlichen Formen, in denen sich seine Freunde mit der größten Natürlichkeit bewegten, und durch Mariens Benehmen, das durch Unbefangenheit nichts an Feinheit verlor, sehr erleichtert wurde. Nur Julie und Emma, des städtischen Verkehrs ungewohnter, waren in den ersten Augenblicken ein wenig befangen.
Da die Männer eine angebotene Erfrischung ablehnten, stand der Abfahrt nichts im Wege. Rasinski führte Ludwigs Mutter, dieser seine Tante hinab. Unten ordnete man sich anders. Den ersten Wagen nahmen die Tante, Marie, Bernhard und die beiden jüngern Offiziere ein. Im zweiten folgte die Mutter, Rasinski, Julie, Emma und Ludwig, welcher letztere, trotz der Einwendungen des Grafen, zwischen seinen beiden Mühmchen den Rücksitz einnahm.
Viertes Kapitel.
Der Entschluß zu der Fahrt auf den Porsberg war am Hofe so plötzlich gefaßt worden, daß wenig davon in der Stadt bekannt wurde und man daher Pillnitz noch fast ganz leer antraf. Ludwig benutzte dies, um ein eigenes Zimmer im Wirtshause in
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