1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
so schön mit Kienruß und Öl auf Lumpen gedruckt sind. Hast du keinen Platz, wo sie ewiger eingegraben sind als auf dem Wisch, den du nicht dreimal mehr auseinanderfalten kannst, ohne daß er zerreißt wie ein alter Guldenschein? Nicht ansehen könnte ich das Blatt ohne Wut, wenn ich bedenke, wo die ganze übrige Auflage ein Ende genommen hat, in welchen Krämerbuden oder Viktualienkellern Pfeffer, englisch Gewürz, oder gar alte Heringe dareingewickelt werden! Ich rate dir, den Wisch zu verbrennen und dir die Asche auf die Herzgrube zu reiben, Ludwig –, im Grunde aber plappere ich viel abgeschmacktes Zeug, und wir haben ernstere Dinge zu tun. Das Bildnis ist dein, versteht sich, und ich zeichne mir's wohl gelegentlich einmal ab. Was ich sagen wollte – mir deucht, der Graf bleibt lange aus?«
Ludwig hatte Bernhards unaufhaltsam fließendem, betäubendem Redestrom mit Verwunderung zugehört. Das Wesen des Freundes war ihm noch zu fremd, als daß er in die innersten Geheimnisse der Brust desselben hätte blicken können. Nur seltsam, unheimlich war ihm dabei zumute. Es war ihm daher lieb, daß Bernhard selbst dem Gespräch wieder eine andere Wendung gab. »Er ist längst über anderthalb Stunden fort«, entgegnete er auf dessen letzte Frage. »Ich weiß nicht, soll ich mir das zum Guten oder zum Schlimmen deuten?«
»Wahrlich, ich auch nicht!« rief Bernhard. »Aber die Ungeduld sitzt mir schon in Händen und Füßen. Ich bin hier gewissermaßen mit dir eingesperrt, da unsere Nachbarschaft im Pillnitzer Garten mich zum Verräter an dir macht. Vielleicht heißt es: mit gefangen, mit gehangen. Nun, du sollst einen getreuen Pylades an mir haben, wiewohl ich mir sonst wenig von diesem Charakter zusprechen darf. Aber ich höre Schritte auf der Treppe, die mir fast wie die des Grafen klingen. Wahrhaftig, er ist es!«
Neuntes Kapitel.
Rasinski trat ein. Sein Auge war düster, seine Stirn gefurcht, »Freunde, ich denke, ihr seid Männer,« fing er an, »und werdet eine Widerwärtigkeit des Geschicks zu ertragen wissen. Aber euere Sache steht schlimm, und zwar durch Sie selbst, liebster Freund,« hierbei wandte er sich zu Bernhard; »denn der Portier des Hauses, wo St.-Luces einquartiert ist, hat Sie verraten!«
»Teufel! Und wie wäre das möglich!« rief Bernhard.
»Auf die leichteste Weise von der Welt. Denn nachdem Sie sich nach dem Fremden, den ich Ihnen als St.-Luces' Sekretär, Beaucaire, bezeichnen kann, erkundigt hatten und das Haus wieder verließen, stand er oben im Erker. Natürlich mußte es ihm auffallen, daß Sie ihm nachgegangen waren; er erkundigte sich daher seinerseits ebenfalls nach Ihnen und erfuhr, da der Portier Sie kennt, was er nur wünschte. Der unglaublichste Zufall von der Welt hat es überdies gefügt, daß derselbe Portier gestern mit in Pillnitz gewesen ist und Sie dort mit unserm Freunde Ludwig, den er leider so gut kennt als Sie, Arm in Arm gesehen hatte, als Sie daselbst St.-Luces und Beaucaire begegneten. Jener ist der gewandteste Spitzbube von der Welt und dieser scheint es zu sein. Es konnte also nicht fehlen, daß ihnen bald nichts mehr zu entdecken blieb als das ausgedehnte Komplott, welches sie mutmaßen, weil Ludwig auf so kühne Weise befreit worden ist.« – »Eine Kugel möchte ich mir durch den Kopf jagen!« rief Bernhard. – »Und meine Mutter?« fragte Ludwig.
»Ist bereits von allem unterrichtet.«
»Hat man sie schon beunruhigt?«
»Noch nicht, denn glücklicherweise kennt der Portier nur Ihren Namen, aber weiß nicht, wo Sie wohnen. Das ist man soeben auszuforschen bemüht. Darüber werden indessen einige Stunden vergehen, und diese müssen wir benutzen. Ich habe bereits einen Plan gemacht und werde meine Anstalten noch zeitig genug vollendet haben. Für jetzt nur diese Benachrichtigung, denn ich muß augenblicklich wieder fort.«
»Nur eine Minute!« rief Ludwig. »Wenn ich mich nun, um alle, die in meine Sache verwickelt sind, mit einem Schlage von jeder Verantwortung zu befreien, freiwillig zur Untersuchung stellte?« – »So könnte ich nicht für Ihr Leben bürgen, junger Freund,« erwiderte Rasinski ernst; »denn Sie haben, wie man mir gesagt hat, einem der gefährlichsten geheimen Agenten unserer Feinde in Italien, dem man jedoch schon auf der Spur war und bei welchem man die wichtigsten Papiere zu entdecken gewiß sein durfte, zur Flucht verholfen.« – »Nannte man Ihnen denselben?« fiel Ludwig lebhaft ein, denn er hoffte, so eine Spur von der
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