1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
ebenso zufällig brachte uns das Gewitter wieder auseinander. Das ist meine ganze Wissenschaft. Von Stand und Namen weiß ich nicht Bescheid zu geben, denn welcher Reisende kümmert sich in dieser Beziehung um den andern? Wenn Ihnen aber daran liegt, so kann ich Ihnen leicht Bescheid geben, denn wir haben uns auf heute nachmittag ein Rendezvous beim Hegereuter im Plauischen Grunde gegeben.«
»Wann, wenn ich fragen darf?«
»Um vier Uhr. Wollen Sie vielleicht mit von der Partie sein, so hole ich Sie ab und führe Sie, denn ich weiß vollkommen Bescheid.«
»Sie würden mich unendlich verpflichten; doch erlauben Sie mir, Ihnen diese Mühe zu ersparen, mein Herr, und vielmehr Sie abzuholen; darf ich um Ihre Wohnung bitten?«
»Das würde ich um keinen Preis zugeben! Um aber den Streit zu schlichten, wollen wir uns um drei Uhr bei dem Italiener Longo hier gleich auf der Schloßgasse treffen. Für jetzt muß ich mich beurlauben. Auf das Vergnügen Sie wiederzusehen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, empfahl sich Bernhard mit dem Anstande eines Erzsausewinds und eilte die Gasse hinunter; aber nur um unvermerkt in eins der nächsten Häuser zu schlüpfen und von dort aus dem verdächtigen Fremden mit Adlerblicken zu folgen. Als er sich sicher glaubte, ging er ihm nach, entschlossen, die Spur desselben nicht zu verlassen. Der Beobachter trat in ein ansehnliches Haus der Schloßgasse ein; Bernhard wußte, daß dasselbe einen Portier habe, den er sogar kannte, und beschloß, diesen auszuforschen. Er folgte dem Fremden daher in das Haus und befragte den Portier, ob er ihn kenne. »Nicht von Namen,« erwiderte dieser; »aber er wohnt hier im Hause und gehört zu den Leuten des Barons St.-Luces, ich glaube, er ist der Sekretär desselben.«
Bernhard wußte genug. Wie ein Pfeil eilte er jetzt zu Rasinski. Er fand ihn mit Ludwig und den jungen Offizieren beim Frühstück. Seine Nachricht wurde mit Begierde gehört. Bei dem Namen St.-Luces zog Rasinski die Stirn in finstere Falten. »Das ist kein guter Name für Sie, lieber Freund! Der Mann ist halb Legationsrat, halb Polizeibeamter, halb Spion; sehr gewandt, aber ränkevoll und habsüchtig; unentbehrlich, aber verächtlich. Eigentlich heißt er Rumiguy, ist aber wegen seiner schurkischen Dienste vielfach empfohlen und auf diese Weise in den sogenannten Adelstand erhoben worden, der seit dem Kaisertum in Frankreich so reichlich aufsprießt. Ich kenne ihn nur zu gut. Was in der Welt aber kann er von Ihnen wollen?«
Ludwig hatte sein italienisches Abenteuer, dem er allerdings den Grund seiner Verhaftung zuschrieb, noch niemand entdeckt; jetzt erzählte er es in seiner ganzen Ausführlichkeit, verschwieg jedoch alles, was sein Herz dabei berührte. Bernhard hörte mit gefesseltem Erstaunen zu. Also auch Ludwig kannte das geheimnisvolle Wesen? Er war zu demselben in so nahe Beziehungen geraten. O, wie tief, dachte Bernhard ahnungsvoll, muß sich unter so wunderbaren Verhältnissen das süße Bild in das Herz des Freundes geprägt haben! Ihm war diese holde Gestalt wie ein Traumbild erschienen und verschwunden; jetzt aber, da er den Freund in so innigen Verbindungen der Wirklichkeit zu dem Ideal erblickte, das ihm bisher nur gleich einem Raffaelschen Bilde vor der Seele schwebte, jetzt wurde sein Herz auf das tiefste bewegt, und er fühlte, wie alte, nur leicht bedeckte Wunden wieder bluteten. In seiner gewöhnlichen Weise setzte er aber dem Ernst, den er nicht mehr frei beherrschte, die Schellenkappe auf. »Ein unvergleichliches Abenteuer! Beim Himmel!« rief er. »Sollte man sich aber jetzt noch deinetwegen kümmern? Für eine Spazierfahrt über den Simplon, in lauer italienischer Nachtluft an der Seite eines so holden Wesens, das mich als Bruder adoptierte, ließe ich mich zehnmal aufhängen. Sollte man also viel daraus machen, wenn's dir geschähe?«
»Scherz beiseite,« entgegnete Rasinski und wandte sich zu Ludwig; »ich fürchte aber, die Sache nimmt eine sehr schlimme Wendung, denn ich glaube, Sie haben, ohne es zu ahnen, eine Tat begangen, die man Ihnen schwerlich verzeiht. Auf jeden Fall müssen Sie sich jetzt noch verborgen halten, bis wir genauer unterrichtet sind. Hier sieht Sie niemand; auch Ihrem Freunde möchte ich raten, sich einstweilen nicht zu dem Rendezvous einzufinden, bis ich nähere Erkundigungen eingezogen habe. Dies will ich sogleich tun.«
»Für mich fürchte ich nichts,« erwiderte Ludwig ernst; »allein was soll ich meiner Mutter, meiner Schwester
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