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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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du hättest über die Grenze schmuggeln sollen, du würdest gesagt haben: belieben Ew. Herrlichkeit Ihren Hals nur allein zu wagen, ich bin nicht Ihr Whist bei dieser Partie, wir könnten slam werden und jedenfalls eher einen Strick als einen Trick dabei erschnappen. Und du hättest vielleicht recht. Aber der Bruder einer so schönen Schwester zu sein – geradeheraus, Ludwig, du zögest nicht zurück!«
    »Ich glaube nicht!«
    »Und wenn du den Hellespont unter dem Kreuzfeuer der Dardanellenschlösser passieren müßtest, wenn die Fahrt zwischen Szylla und Charybdis hindurch, wenn sie über den Acheron, den Phlegethon und Styx ginge, wenn zehn Vierwaldstätter Seen die Wellenrachen nach ihrem Johannisopfer aufsperrten und der Föhn vom Gotthard wie rasend herunterbrauste, du sprängest doch in den Kahn und sagtest: ich bin dein Tell, Bianka, ich steuere hinüber – du tätest es, wenngleich deine Mutter und Marie händeringend am Ufer ständen – sag'an, du tätest es?«
    Ludwig erstaunte über die seltsame Wendung und das Feuer in Bernhards Worten. »Sag' mir, tätest du es?« wiederholte dieser. – »Ich glaube, ich müßte es tun«, antwortete Ludwig. – »Das glaub' ich auch, upon honour!« warf Bernhard plötzlich im Tone des trockensten Scherzes hin, obwohl er vorher die Klimax seiner Wenns im heftigsten Kreszendo hinaufgetrieben hatte. Dann drehte er sich gegen das Fenster, trommelte mit den Fingern an die Scheiben und sah nach den Dächern der gegenüberstehenden hohen Häuser hinauf. Eine einzige Träne drang ihm ins Auge. Er wischte sie unwillig weg und murmelte, wie er in Momenten heftiger Leidenschaft pflegte, halb vor sich hin, halb dachte er nur: »Er liebt sie! das weiß ich, und sie ihn, das weiß ich auch, denn mir sagt's eine Stimme in der Brust, der ich mehr traue als meinen eigenen Augen. Törichter Träumer du! Wie, und solltest du nicht einmal die Kraft haben, deine Luftschlösser einzureißen? Lumperei!«
    Ludwig hatte indessen seine Brieftasche geöffnet, zog ein Blatt hervor, berührte Bernhard leise an der Schulter und gab es ihm, als er sich umdrehte, mit den Worten: »Lies das, Lieber!« Es war das Zeitungsblatt, in welchem Bianka Abschied von Ludwig nahm. Bernhard las; das Blatt machte ihm seine Ahnung zur Gewißheit. Sein festes, starkes Herz wollte in heißen, glühenden Tränen schmelzen, doch er bezwang sich mit eherner Kraft. »Schön, innig und rührend«, sprach er kurz, das Blatt zurückgebend; doch mußte er sich wieder gegen das Fenster umwenden. »Sagt' ich's nicht,« dachte und murmelte er wie zuvor; »o, diese Stimme hat nie gelogen! Wohlan denn! ich will die Keime mit allen Wurzeln aus meiner Brust reißen, und bliebe mein Herz daran hängen!« Er zog schnell sein Zeichenbuch hervor, griff nach einer Schere, die auf dem Tische lag, und schnitt das Blatt mit Biankas Bildnis heraus. »Da«, rief er und legte es vor Ludwig hin. »Du hattest bisher nur die Noten, dies ist der Text; du mußt mich aber philologisch verstehen, sonst gilt's umgekehrt, du hattest den Text, die dürren Worte, hier aber sind die Noten, d.h. die Melodie, die Himmelsmusik dazu. Denn wer versteht den gedruckten Quark dort, wenn er nicht weiß, aus welcher Brust solche Worte tönten, welchen Lippen sie entflohen, in welchem Auge die Abschiedsträne zitterte! Da, ich schenke dir das Porträt!«
    »Bernhard!« rief Ludwig gerührt und betroffen, »teuerer Freund! welches Kleinod schenkst du mir –«
    »Kleinod? Ich wüßte nicht. Wenn ich's recht von oben betrachte, denke ich ganz anders und muß dir sagen, daß du ein Philister bist. Glaubst du, ich gebe das Bild weg? Kein Zug wird mir davon entschwinden, denn Maler haben ein gutes Physiognomiengedächtnis, obwohl ich glauben sollte, andere könnten solche Gesichter auch behalten; man sieht sie nicht täglich. Ich kann mir's den Tag zwanzigmal zeichnen, wenn ich will. Du bekommst also nur etwa 21 Quadratzoll verarbeiteter Lumpen, oder Eselshaut, denn es ist Pergament, item ein wenig Abschwärzung von Silberstift. Ich gebe nicht mehr weg, als ob ich dir die aufgeschriebenen Noten einer Melodie schenkte, die ich in Himmelstönen singen gehört und die mir nie aus Ohr und Brust entschwinden kann – nun du hörtest sie ja selbst –; aber freilich, du verstehst das alles nicht, denn ich rede hier natürlich nur als Maler. Indessen darin bist du ein Lump, daß du das schmutzige Zeitungsblatt aufhebst, als würdest du sonst die Worte vergessen, die dort

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