183 - Die Hexe und die Bestie
Peckinpahs silbernen Rolls Royce in einem von Unkraut bewachsenen Fabrikhof stehen und betrat eines der im Karree aufgestellten Gebäude.
Es roch nach Leere und Vergangenem. Tauben saßen gurrend auf dicken Eisenschienen hoch über Cruv. Wie immer trug der Gnom eine schwarze Melone, um größer zu wirken. Auch die Absätze seiner Schuhe waren etwas höher.
Cruv sah sich aufmerksam um, doch Vera Grey ließ sich nicht blicken.
Hatten die Verfolger sie erwischt?
Der Gnom hielt seinen Stock fest in der Hand. Niemand konnte damit besser umgehen. Er wechselte von einer Halle in die andere. Veraltete Öfen, defekte Gießvorrichtungen, Kräne, die ausgedient hatten… Dieser Betrieb war unrentabel geworden. Eine Modernisierung hätte zuviel Kapital verschlungen, und da mußte man die Anlage stillegen, Arbeiter und Angestellte entlassen und die Pforten schließen.
Das Tageslicht quälte sich mühsam durch die dreckigen Fensterscheiben. Schmutz, soweit das Auge reichte - und Taubenkot.
In der dritten Halle hatte der Gnom das Gefühl, beobachtet zu werden.
»Miß Grey!« rief er. Seine Stimme kam als Echo von den brüchigen Wänden zurück. »Sind Sie da, Miß Grey?«
»Hier oben!« antwortete das Mädchen.
Cruv drehte sich um und hob den Kopf, aber er sah Very Grey immer noch nicht. Ein Gewirr von Metallplateaus und Eisentreppen nahm ihm die Sicht.
»Ich komme zu Ihnen hinunter!« rief Vera Grey.
Augenblicke später sah er ihre schönen Beine.
Sie lief die Eisenstufen herunter und kam auf ihn zu - ein Mädchen wie aus einem wunderbaren Traum.
»Sind Sie allein gekommen, Mr. Cruv?« Ihr felick huschte nervös durch die Halle.
Der Gnom nickte. »Niemand weiß, wo ich bin.«
»Sind Sie sicher, daß Ihnen niemand gefolgt ist?«
»Mir ist niemand aufgefallen«, antwortete der Knirps.
»Man kann bei diesen Leuten nicht vorsichtig genug sein«, behauptete Vera Grey.
»Sie werden Ihnen nichts anhaben, dafür verbürge ich mich«, sagte Cruv.
»Es ist schrecklich, ständig mit dieser Angst im Nacken leben zu müssen. Meine Nerven sind schon total kaputt. Ich erschrecke bereits vor meinem eigenen Schatten.«
»Sie sollten nicht länger hierbleiben«, sagte Cruv.
»In dieser verlassenen Eisengießerei fühle ich mich wenigstens einigermaßen sicher«, erwiderte Vera.
»Ich weiß einen Ort, wo es für Sie angenehmer und sicherer wäre, Miß Grey: Tucker Peckinpahs Anwesen. Wenn es erforderlich ist, kann er es im Handumdrehen zur Festung ausbauen.«
»Noch wissen Sie nicht, mit wem Sie es zu tun haben, Mr. Cruv.«
»Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen«, verlangte der Gnom.
»Nun, ich weiß zum Beispiel, daß du mir in die Falle gegangen bist, Kleiner«, sagte das schwarzhaarige Mädchen plötzlich mit einem höhnischen Lächeln.
***
Edward Kern nahm sich einen Drink und rauchte nervös eine Zigarette. Er war enttäuscht gewesen, als ihm Vicky Bonney eröffnete, Tony Ballard wäre nicht zu Hause, doch inzwischen hatte er sich mehr oder weniger damit abgefunden.
Er rechnete damit, daß der Privatdetektiv in ein bis zwei Stunden an seine Tür klopfen würde.
»Er wird Augen machen, wenn er erfährt, was ich ihm zu sagen habe«, murmelte Kern. »Ich lasse den verdammten ›Zirkel des teuflischen Worts‹ wie eine Rakete hochgehen!«
Er knirschte mit den Zähnen.
Plötzlich gewahrte er noch ein anderes Geräusch, eines, das nicht er verursacht hatte. Es war aus dem Bad gekommen.
Kern hielt den Atem an, seine Miene drückte höchste Spannung aus. Befand sich jemand im Bad? Kern stieß die halb gerauchte Zigarette in den Aschenbecher und verließ das Wohnzimmer.
Vorsichtig näherte er sich der weißen Badezimmertür. Zwei Schritte davor blieb er stehen, bückte sich und streifte die Schuhe ab.
In Socken ging er weiter, seine Schritte waren nicht zu hören. Er preßte die Lippen fest zusammen, bevor er nach dem Türknauf griff.
Sollte sich tatsächlich jemand im Bad befinden, wollte ihn Kern mit seinem unverhofften Erscheinen aus der Fassung bringen. Er drehte den Knauf lautlos bis zum Anschlag.
Tief holte er Luft, und dann gab er der Tür einen kräftigen Stoß, so daß sie zur Seite schwang und gegen einen weißen Handtuchschrank knallte.
Er wollte einen möglichen Eindringling überraschen, war dann aber selbst überrascht, als er erkannte, von wem er Besuch hatte. Er stieß einen erstickten Schrei aus und sprang zurück.
Sobbar, der plumpe Alligator, riß sein gewaltiges Maul auf und schoß mit einer
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