183 - Die Hexe und die Bestie
Mädchen so genau zu beschreiben, daß wir es sofort erkennen, wenn es uns begegnet.«
Leo Goodliffe hob den Blick zu den schrägen Dachfenstern. »Sie hat einen formvollendeten Körper. Trotz Dunkelheit und Alkohol nahm ich jedes Detail ihrer makellosen Figur wahr. Ich war von ihrem perfekten Wuchs fasziniert.« Ich verkniff mir ein Lächeln. Aus ihm sprach unverkennbar der Bildhauer.
Wir waren jedoch mehr am Gesicht des schwarzhaarigen Höllenmädchens interessiert.
»Sie hatte dunkle, fast schwarze Augen«, beschrieb der Künstler die Höllenschöne weiter. »Ihr Antlitz ist rund, ein bißchen slawisch, würde ich sagen. An einer dünnen Halskette trägt sie ein goldenes Seepferdchen. Ihre Blößen waren nur ganz spärlich mit dünnem Reptilienleder bedeckt, als sie aus dem Wasser kam. An den Unterarmen trug sie… Stahlmanschetten. Das Haar reicht bis zu den Hüften.«
Der Vollständigkeit halber beschrieb Goodliffe auch noch das Riesenreptil, dem zu begegnen bestimmt kein Vergnügen war. Dennoch mußten wir es darauf anlegen.
***
Edward Kern war so wütend und unglücklich, daß er am liebsten die Welt in Trümmer geschlagen hätte. Es gab so viele Mädchen, warum mußte ihm ausgerechnet Virginia Stevens »passieren«?
Er warf sich zu Hause auf sein Bett und schlug mit den Fäusten wild auf das Kissen ein, wobei er sich einbildete, es wäre Mike Munro.
»Ich hasse ifin, diesen Wahnsinnigen!« schluchzte er. »Umbringen könnte ich ihn. Ihm ist es zu verdanken, daß Virginia nicht mehr weiß, was sie tut. Er hat sie blödgequatscht, hat sie verdorben. Was er ihr zu bieten hat, sind keine Ideale. Er ist übelster Abschaum, stinkender Dreck.«
Es rumorte in Edward Kerns Brust.
Noch nie hatte er einen Menschen so sehr gehaßt, wobei er der Ansicht war, daß Mike Munro die Bezeichnung »Mensch« überhaupt nicht verdiente.
»Er ist ein Tier!« keuchte Kern. »Oder ein… ein Satan!«
Ständig wies er die Schuld dem Prediger zu, aber war Virginia besser?
Kern sprach sie nicht frei, aber er war davon überzeugt, daß die Seele des Mädchens nicht in diesen schwarzen Abgrund gestürzt wäre, wenn es Mike Munro nie begegnet wäre.
An allem Übel war in erster Linie Munro schuld.
Ihn sollte deshalb Kerns Rache treffen. Nichts konnte ihn schmerzhafter verletzen als ein Schlag gegen den »Zirkel des teuflischen Worts«.
Selbst konnte Kern den Schlag nicht führen, aber es gab jemanden, der es mit Vergnügen für ihn tun würde: Der Privatdetektiv und Höllenfeind Nummer eins Tony Ballard.
***
Die Droge, die Virginia eingenommen hatte, wirkte nicht mehr, der Sinnesrausch war verflogen. Klarer und nüchterner als je zuvor dachte das Mädchen nach.
Sie hatte die Absicht, mit Edward zu reden.
Daß ihre Beziehung zu Ende war, verstand sich von selbst. Virginia bedauerte es nicht, denn sie hatte nun einen anderen, besseren Liebhaber.
Das Gespräch mit Edward sollte nicht dazu dienen, zwischen ihnen alles zurechtzurücken. Virginia wollte Edward lediglich davon abhalten, Mist zu bauen, denn wie sie ihn kannte, trug er sich jetzt mit gewaltigen Rachegedanken.
Ihre Sorge galt im Augenblick lediglich dem »Zirkel des teuflischen Worts«, dessen Existenz Edward Kern mit entsprechenden Informationen gefährden konnte.
Das galt es zu vermeiden.
Wieder saß Virginia in einem Taxi.
Sie wollte dem Fahrer soeben einen Geldschein reichen, als sie Edward aus dem Haus stürmen sah, in dem er wohnte. Sie zog die Banknote rasch zurück und sagte: »Wir fahren weiter.«
»Meinetwegen«, gab der Fahrer zurück. »Und wohin?«
Virginia forderte ihn auf, Kerns Wagen zu folgen.
Der Taxifahrer griente. »Ist das Ihr Freund? Spionieren Sie ihm nach?«
»Ich wüßte nicht, was Sie das angeht!« erwiderte das Mädchen barsch.
»’tschuldigung!« sagte der Mann verärgert. Danach sprach er kein Wort mehr.
Edward Kern fuhr nach Knightsbridge.
Junge, mir schwant etwas! ging es Virginia durch den Kopf. Laß das sein, Edward. Tu das lieber nicht.
Er erreichte das Haus Nummer 24 am Trevor Place.
Tony Ballards Haus!
Kern stieg aus. Virginia überlegte blitzschnell. Sie brauchte das Taxi nicht mehr, entlohnte den Fahrer und öffnete die Tür. Als sie den Fuß auf die Straße setzte, läutete Edward Kern bei Tony Ballard.
Was du tust, bringt dich um Kopf und Kragen! dachte Virginia wütend.
Sie sah keine Möglichkeit, Edward aufzuhalten. Das Taxi fuhr weiter, und Vicky Bonney öffnete die Tür. Ihr fiel sofort auf, daß der
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