1836 - Fratze des Unheils
einen Mann.« Jane beschrieb ihn kurz. »Er ist ein Bekannter von uns, und wir haben uns hier unten aus den Augen verloren. Haben Sie ihn vielleicht gesehen?«
Der Angestellte überlegte.
Das dauerte Jane zu lange. Sie gab ihm eine kurze Beschreibung. Nur das Gesicht ließ sie aus.
Der Mann lächelte. »Ja, den habe ich tatsächlich gesehen. Er hatte es sehr eilig und ist an mir vorbei gestürmt, als wäre der Teufel hinter ihm her.«
»Aus der Garage?«, fragte Jane.
»Ja. Von dort aus ins Freie. Er hat also keinen Lift genommen, um zum Hotel hoch zu fahren. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Wo Ihr Freund hingelaufen ist, weiß ich nicht.«
Ich hatte noch eine Frage. »Haben Sie denn auch sein Gesicht gesehen?«
Jetzt stutzte der Mann. »Sein Gesicht?«, fragte er nach. »Wieso denn sein Gesicht?«
»Das ist nicht weiter wichtig. Wir wollen nur sicher sein, dass es auch unser Freund gewesen ist.«
Ich wurde etwas ungläubig angestaunt, erhielt aber eine Antwort. »Soviel ich mich erinnern kann, habe ich ein normales Gesicht gesehen. Der hatte keine Maske auf oder so. Haben Sie das gemeint?«
»So ähnlich.«
»Damit kann ich nicht dienen.«
»Okay.« Ich lächelte ihm zu und fragte dann noch, ob er zu den Einheimischen gehörte.
»Nein, aber ich lebe schon dreißig Jahre hier.«
»Dann kennen Sie alles.«
»Das kann man wohl sagen, der Herr.«
»Auch so alte Geschichten, die man sich erzählt?«
Jetzt war der Angestellte überfragt. »Bitte, wie meinen Sie das denn?«
»Sagen wir so. Geschichten über ungewöhnliche Menschen oder Tiere. Man kann auch von Sagen oder Legenden sprechen. Ich weiß, dass an bestimmten Orten immer diese Geschichten entstehen. An Flüssen, Seen oder auch einsamen Stränden.«
»Ach, so meinen Sie das.«
»Genau.«
Er wollte nicht unhöflich sein und sagte: »Da muss ich erst mal nachdenken.«
Jetzt mischte sich Jane Collins ein. »Es wäre nett, wenn Sie das täten.«
»Ja, ja, Moment.«
Alle Mitarbeiter des Hotels waren angewiesen, den Gästen jeden Wunsch zu erfüllen, und dem wollte er nachkommen, wobei Jane Collins ihm noch half.
»Gibt es denn eine alte Geschichte oder Legende, die sich um eine Fratze dreht?«
Der Mann zuckte zusammen. »Fratze, sagten Sie?«
»Ja.«
»Ähm, wie kommen Sie denn darauf?«
»So etwas haben wir gehört.«
Der Mann nickte. »Dann haben Sie richtig gehört. Man erzählt sich hier hin und wieder die Geschichte von einer Fratze.«
»Die Sie auch kennen?«
»Nicht ganz, aber …«
»Dann lassen Sie doch mal hören.«
Der Mann war schon verwundert und sagte: »Aber das sind doch Märchen, ehrlich.«
»Wir mögen Märchen«, sagte Jane und lächelte.
»Jeder, wie ihm beliebt.«
»Genau.«
»Diese Fratze hat mal einer Frau gehört, die man im See versenkt hat.«
»Warum tat man das?«
»Weil sie angeblich eine Hexe gewesen ist. Hier spricht man von der bösen Frau, die mit bösen Mächten in Verbindung stand. Sie hat man dann ertränkt.«
»Und weiter?«
»Später wurde behauptet, dass sie nicht ertrunken ist. Sie muss Hilfe gehabt haben.«
»Von wem?«
Jetzt grinste der Mann. »Von den bösen Geistern, sagt man. Sie hat sich ja mit ihnen verbündet.«
»Und wie sah sie aus?«
Jetzt fing der Mann an zu kichern. »Woher soll ich das wissen? Ich habe sie nicht gekannt. Und das alles liegt ja auch lange, sehr lange zurück. Aber die Legende hat sich bis in die heutige Zeit gehalten, und es gibt Menschen hier, die sind der Meinung, dass die alte Hexe sich immer wieder mal zeigt.«
»Wie sieht das denn aus?
Der Mitarbeiter beugte sich zu Jane hin. »Dann soll sie aus dem Wasser kommen und sich Menschen holen. Aber nur die Touristen, nicht die Einheimischen, denn es waren damals protestantische Fremde gewesen, die sie gerichtet haben.«
»Preußen?«
»Genau, Madam. Sie sind ja keine Preußin und hören sich nach Britin an.«
»Das haben Sie gut beobachtet.«
»Dann darf ich mich jetzt verabschieden, denn ich habe noch zu tun.«
»Klar.« Diesmal lächelte Jane. »Und haben Sie herzlichen Dank für Ihre Hilfe.«
»War mir eine Freude.« Der Mann öffnete die Tür. »Schön Tag noch für Sie.«
»Danke, ebenfalls.«
Wir warteten, bis er verschwunden war, dann sprach Jane mich an. »Na, was sagst du jetzt?«
»Ich denke, dass wir einen kleinen Schritt weitergekommen sind.«
»Das meine ich auch.«
»Und ich glaube auch«, sagte ich, »dass wir uns näher mit dem See beschäftigen sollten.«
»Und mit dessen
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