1841 - Der Engeljäger
war und halb Mensch, das sah ich ihm nicht an.
Ich hatte auch schon andere Nephilim erlebt, die gefährlich waren und nach Leichen rochen. Das war hier nicht der Fall, und ich war gespannt, wie es weiterging.
Ich ging wieder zurück in das Schlafzimmer, legte mich aber nicht ins Bett, sondern stellte mich ans Fenster, das ich zuvor geöffnet hatte. Die Luft war noch immer warm. Mir gingen zahlreiche Gedanken und Vermutungen durch den Kopf.
Ich überlegte, ob ich den richtigen Vorschlag gemacht hatte. Wie würde Father Ignatius reagieren? Das war die große Frage, auf die ich keine Antwort wusste. Vieles war verkehrt gelaufen, was darin gipfelte, dass ein Bischof getötet worden war. Eiskalt ermordet. Dazu gehörte schon etwas.
Und wer war der Killer?
Eine Person, die man auch als Legende bezeichnen konnte. Die in den geheimen Botschaften der Kirche auftauchten, aber auch in der Genesis erwähnt wurden und ebenfalls bei Henoch. Das war der Hintergrund. Mit dem Vordergrund musste ich mich beschäftigen und immer wieder kehrten meine Gedanken zu dem Grigori zurück, der uns mit seinem Hund verfolgt hatte.
Wir hatten ihn als einen brennenden Menschen gesehen, der durch das Feuer allerdings geschützt und nicht verbrannt wurde. Es war kein heiliges Feuer wie im brennenden Dornbusch, dieses Feuer stammte aus einer anderen Sphäre, und ich musste davon ausgehen, dass die Hölle ihre Finger im Spiel hatte.
Ein Grigori und die Hölle!
Passte das überhaupt zusammen?
Ich ging davon aus, dass es hier eine Übereinstimmung gab. Auch wenn es schwer zu verstehen war, aber auch in der Vergangenheit hatten die Hölle und deren Kraft immer wieder eine Rolle gespielt. Daran hatte sich bis heute nichts geändert.
Der Grigori war da. Er ließ sich auch so schnell nicht abschütteln, davon war ich überzeugt. Aber wo steckte er? Wo lauerte er auf uns? Einer wie er fiel auf, wenn er mit seinem Tier unterwegs war, das ich noch immer nicht für einen Hund hielt.
Ich hing meinen Gedanken nach und blieb auch weiterhin am offenen Fenster stehen, um einen Blick in die Nacht zu werfen, in der sich nichts tat. Es blieb bei dieser normalen Ruhe, dem warmen Wind, einem nicht freien Himmel, weil dicke Wolkenschiffe darauf segelten.
Und doch war da etwas, das mich irritierte.
Unter den Wolken sah ich eine Bewegung in der Luft. Man konnte von einem kurzen Zucken sprechen und es dann wieder vergessen. Aber das war bei mir nicht der Fall.
Ich sah die Bewegung erneut.
Und diesmal war das Phänomen näher an meinem Fenster gewesen. Es war dunkel, und ich wurde an einen großen Vogel erinnert, der sehr finster war, aber das traf nicht zu.
Das war kein Vogel. Das war ein Mensch, der fliegen konnte, oder ein Engel der besonderen Art.
Ja, das traf zu. Ein Engel der besonderen Art, der auf den Namen Sariel hörte. Er wusste genau, wo wir steckten. Mit nahezu lässig anmutenden Flugbewegungen näherte er sich dem Fenster, an dem ich stand. Das war ganz schön abgebrüht. Ob er Flügel hatte, sah ich nicht. Wenn ja, dann mussten es sehr dünne und auch widerstandsfähige sein. Für mich sah es aus, als hätte er keine.
Er flog vor dem Fenster hin und her. Er musste mich längst gesehen haben, was ihm wohl nicht passte, denn wie ich ihn einschätzte, hatte er etwas Bestimmtes vorgehabt. Möglicherweise hatte er sich Julian holen wollen.
Ich versperrte ihm den Weg, und er traute sich nicht, mich direkt anzugreifen. Zwar trug ich nur ein T-Shirt und Shorts, aber ich spürte unter dem T-Shirt den Druck des Kreuzes an meiner Brust, und das war ein Schutz, den auch der andere spüren musste.
Sein Tier flog nicht mit. Das wäre auch noch schöner gewesen, aber auch er selbst flog nicht mehr weiter. Als er eine bestimmte Entfernung zwischen sich und dem Fenster erreicht hatte, blieb er in der Luft stehen, was ich als Phänomen ansah, denn jeder normale Mensch wäre in die Tiefe gefallen, er nicht.
Noch immer sah ich keine Flügel, die sich bewegt hätten. Der Grigori sackte trotzdem nicht ab, und er war auch dabei, seinen Auftritt zu genießen. Er sprach mich sogar an, und kein Feuerring legte sich dabei um seinen Körper.
»Du weißt, warum ich gekommen bin?«
»Ich kann es mir denken. Du willst dir Julian schnappen. Das ist es.«
»Genau. Und weißt du, wer er ist?«
»Sicher.«
Der Grigori war ungeduldig. Er zappelte auf der Stelle. »Dann sag es. Aber sag es laut, damit ich es auch verstehen kann.«
»Julian ist ein Nephilim.«
Eine
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