1841 - Der Engeljäger
könnte sein, dass ich die nächsten Tage nicht überlebe. Dieser Sariel ist ein Bluthund. Er ist grausam. Er stammt aus einer ganz anderen Welt. Er will vernichten. Er will Spuren beseitigen, und ich rechne damit, dass er ein Grigori ist, obwohl er nicht so wirkt.«
»Wie meinst du das?«
»Nun ja, ich kenne die Grigori. Sie sind anders. Sie sind mächtiger und größer.«
»Riesen?«
»Ja, das habe ich schon erwähnt. Dieser Sariel ist kein Riese. Er hat sich der menschlichen Größe angepasst, sonst würde er zu sehr auffallen. Es stellt sich die Frage, ob er wachsen und wieder zu einem Riesen werden kann.«
»Wäre das möglich?«
»Ich weiß es nicht. Er muss im Moment an eine Tarnung denken, das ist alles.«
»Gut, dann weiß ich Bescheid.«
Julian schaute mich skeptisch an. »Weißt du das wirklich? Bist du voll informiert?«
»Nein.«
»Danke für die Antwort. Aber du bist jetzt gezwungen, etwas zu unternehmen, oder nicht?«
»Ja, das muss ich. Es muss ja weitergehen.«
»Hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?«
»Das habe ich tatsächlich.«
Jetzt war er gespannt. Das erkannte ich an seiner Haltung. »Und wie sieht das Ergebnis aus?«
»Nicht perfekt«, sagte ich. »Es ist mehr eine Idee, die sich allmählich herausschält.«
»Dann möchte ich sie hören.«
Ich nickte ihm zu. »Vorweg gesagt, ist es schlicht unmöglich, dass du hier bei mir bleibst. Ich meine für immer. Da müssen wir einen anderen Weg finden.«
»Hört sich nicht schlecht an. Weißt du denn schon, welchen?«
»Ich bin nahe dran.«
»Und?«
Meine Antwort bastelte ich mir zurecht. »Ich denke da an Italien, wenn du verstehst.«
»Nein, noch nicht.«
»Es ist ganz einfach im Prinzip. Es gibt in Italien einen Staat im Staat. Das ist der Vatikan. Ich denke, dass man sich dort sehr für deine Geschichte interessiert und dass man dir durchaus auch Asyl gewähren wird.«
Julian sagte nichts. Ich wusste aber, dass es in seinem Kopf arbeitete, dass er bestimmte Möglichkeiten gegeneinander abwog.
Nach einer Weile hatte er sich wieder gefangen. »Und wie willst du das bewerkstelligen?«
»Auch das wird nicht schwer sein.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich dort einen sehr mächtigen Mann kenne, der auf meiner Seite steht.«
»Und wie heißt er? Es ist doch nicht der Papst persönlich – oder?«
»Nein, der hat genug andere Dinge zu erledigen. Gerade in dieser Zeit. Der Mann, den ich meine, hat einen sehr schlichten Namen. Er nennt sich Father Ignatius. Mag der Name auch schlicht sein, der Mann ist es nicht. Denn er ist der Chef des vatikanischen Geheimdienstes. Der Boss der Weißen Macht.«
Julian sagte nichts. Er starrte mich an, und ich erkannte, dass er dabei war, nachzudenken.
»Den Namen habe ich noch nie gehört. Ich wusste nicht, dass der Vatikan einen Geheimdienst hat.«
»Es ist aber so«, sagte ich lächelnd.
Er nickte. »Aber ich frage mich, was dieser Father Ignatius dazu sagt.«
»Er wird sich schon dazu bereit erklären.«
»Ist er denn informiert, was die Grigori und die Nephilim angeht?«
»Ja, er weiß Bescheid. Ich habe mit ihm schon über dieses Thema gesprochen und er wird es nicht vergessen haben. Ich werde ihn anrufen, wenn die Nacht vorbei ist.«
Julian schaute mich lange an. Ab und zu zuckte es in seinem blassen Gesicht.
»Und du bist dir sicher, dass du Erfolg haben wirst?«
»Ja, das bin ich. Denn du bist ein Phänomen.«
»Und wann würde ich dann nach Rom fliegen?«
»Ich habe an den morgigen Tag gedacht. Und du wirst nicht allein fliegen, denn ich werde dich nach Rom begleiten …«
***
Mein Gast hatte sich nicht unter die Dusche stellen wollen, aber ich war nicht Julian und ließ die heißen Strahlen auf meinen Körper klatschen, was mir sehr gut tat.
Danach duschte ich noch kalt ab und bekam nicht mal eine Gänsehaut. Bei diesem Wetter war eben alles anders. Beim Abtrocknen stellte ich fest, dass mir die Dusche nicht nur gut getan hatte, sie hatte mich auch richtig wach gemacht, sodass mir der Begriff Schlaf wie ein Fremdwort vorkam. Hinzu kamen meine Erlebnisse, und wie ich mich kannte, würde ich noch für eine Weile wach bleiben.
Bevor ich ins Schlafzimmer ging, schlich ich in mein Wohnzimmer, um einen Blick auf meinen Gast zu werfen, der tatsächlich auf der Couch lag und fest schlief. Damit hatte ich nicht gerechnet, war aber froh, dass es eingetreten war.
Julian machte einen völlig entspannten Eindruck. Wie er da lag, sah er noch jünger aus. Dass er halb Engel
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