1849 - Die Mittagswelt
Stelle, an der Lanagh immer noch am Boden lag.
„Ist er ...?"
„Nein, er lebt noch", antwortete Scheep: Der Kleine hatte sich nützlich gemacht: Er hatte aus einer kleinen Leiter und einer Holzplatte eine Trage gebastelt. Das Material stammte wohl aus dem Bungalow.
Saedelaere öffnete das medizinische Paket. Zum erstenmal war er froh, daß es in der Hohlwelt nicht dunkel wurde. Der Einbruch der Nacht hätte jedes Arbeiten unmöglich gemacht, früher oder später.
Er entnahm eine Pinzette und einen Tupfer. So gut wie möglich reinigte er die Rückenwunde des kleinen Raubyners. An manchen Stellen wurde ein Skalpell nötig. Lanaghs Gewebe war schwer zu schneiden; es dauerte eine Ewigkeit, dann hatte er den letzten Splitter heraus.
Mit einem Wundspray tötete der Terraner Krankheitserreger ab, die möglicherweise eingedrungen waren. Über die zerstörte Fläche legte er eine dicke Schicht Biomolplast. Das Plastmaterial imitierte automatisch die Gewebestruktur, mit der es in Kontakt kam. Immunreaktionen waren ausgeschlossen.
Ein Mensch hätte die Operation nicht überlebt. Aber Lanagh atmete immer noch. Saedelaere hoffte, daß er sich von den Folgen des Unfalls erholen würde.
Zum Schluß kam das gebrochene Bein an die Reihe. Saedelaere traute sich nicht zu, den Knochen in einer Operation zu richten. Deshalb brachte er die Trümmerstellen notdürftig wieder zusammen, verschloß die offene Wunde und schiente mit den Stangen das Bein. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Knochen auf diese Weise zusammenwuchs. Ohne eine ernsthafte Operation, von Fachleuten durchgeführt, würde Lanagh niemals wieder laufen können.
5.
Abenteuerurlaub Saedelaere und Scheep transportierten Lanagh auf der Trage ins Hotel. Sie legten sich für einige Zeit schlafen.
Der Träger der Haut erwachte nach vier Stunden, obwohl er sehr erschöpft war. Im Zimmer stank es unangenehm. Einen Moment befürchtete er, der Geruch käme von Lanagh, und der Raubyner könnte gestorben sein.
Aber der Kleine lebte; er hatte mittlerweile zu stöhnen angefangen, obwohl er bewußtlos war.
Saedelaere stand auf und flößte ihm Wasser ein.
Der Gestank kam tatsächlich von Lanagh. Seine Körpertemperatur war um fünf Grad gesunken. Beides stellte ein schlechtes Zeichen dar.
Neben ihm stand plötzlich Scheep. „Geht’s ihm besser, Alaska?"
„Nein."
„Ich sag’ ja, daß er es nicht schafft."
„Mittlerweile befürchte ich, daß du recht hast, Scheep. Wir werden Hilfe für ihn holen."
„Aha! Wie das?"
„Wir brauchen ein Hospital und einen Arzt mit der entsprechenden Ausrüstung für exotische Wesen."
„Das wird nichts. Hier gibt’s doch keine Gleiter. Außerdem kann man mit diesen Schattenleuten nicht sprechen. Die kriegen doch gar nichts von Lanagh mit."
Saedelaere war sich der Problematik bewußt, Er trat ans Fenster und schaute auf die Siedlung. Nusteir bot den Anblick einer Geisterstadt. Am gegenüberliegenden Ortsrand erhob sich ein dunstig verzerrter Gleiter in die Luft und flog davon.
Er wußte nicht, wie es in den übrigen Gebieten der Hohlwelt aussah. Vielleicht gab es in anderen Gegenden normale Menschen.
Oder normale Lebewesen irgend einer Art. Vielleicht befanden sie sich doch nicht in der Milchstraße, sondern noch in Tolkandir. Im Grunde war es völlig egal. Solange er nur eine Möglichkeit fand, den Kleinen zu retten.
Es machte wenig Sinn, Lanagh auf den Rücken zu schnallen und einfach loszuziehen. Handeln ja - aber planvoll.
Saedelaere fiel das Teleskop wieder ein. Er konnte vielleicht in Erfahrung bringen, wie es in der näheren Umgebung aussah; ob die Chancen für eine medizinische Versorgung anderswo besser standen als in Nusteir.
„Du wartest hier auf mich, Scheep", ordnete er an. „Gib ihm jede halbe Stunde zu trinken!"
„Wozu? Lanagh fängt doch schon zu stinken an."
„Tu einfach das, was ich dir sage!"
Scheep murrte. Er ordnete sich widerwillig unter.
Saedelaere trank ein paar hastige Schlucke, dann verließ er das Hotel. Das Teleskop lag noch an Ort und Stelle. Er setzte die Teile zusammen, richtete das Okular auf die nahe Umgebung und suchte eine Spur, irgend etwas. Nach einer halben Stunde gab er auf. Das Umland bestand aus menschenleerer Steppe.
Oberhalb von Nusteir erstreckte sich ein langer Streifen, den er nicht einsehen konnte. Die Landschaft fiel steil nach unten ab, vermutlich in einer geologischen Abbruchkante: Saedelaere erinnerte sich, er hatte es gelesen. Im Norden befand sich
Weitere Kostenlose Bücher