1851 - Dreizehn Seelen für den Satan
glauben, wen sie da vor sich hatte.
Während Susan noch fassungslos hinaus auf die Lichtung starrte, tippte ihr plötzlich jemand sanft auf die Schulter.
Erschrocken fuhr sie herum.
Hinter ihr hatte sich die hochgewachsene Gestalt Roberts aus der Dunkelheit gelöst. Greller Wahnsinn leuchtete aus seinen Augen. Sein Blick schien sie förmlich festzunageln, während ein hinterhältiges Lächeln auf seine Lippen trat.
»Hallo Darling«, sagte er.
***
Kalter Wind pfiff durch die dunklen Baumkronen und das Geräusch raschelnden Laubs war zu hören. Milchiges Mondlicht beleuchtete eine unheimliche Szenerie.
Susan Blakely war von ihrem Freund trotz heftiger Gegenwehr auf die kleine Waldlichtung geschleift worden. Er hielt sie fest in seinem Griff und spielte seine körperliche Überlegenheit voll aus. Jeder Fluchtversuch war sinnlos.
Der blonde Mann war immer noch bewusstlos. Vielleicht hatte der Hieb ihn auch getötet. Das konnte Susan nicht beurteilen.
Kopfschüttelnd betrachtete sie den brutalen Schläger.
»Wie konnten Sie das nur tun, Reverend Boyle?«, fragte sie fassungslos.
Der Pfarrer zuckte angesichts der vorwurfsvollen Stimme sichtlich zusammen.
»Ich hatte keine andere Wahl«, brachte er schließlich hervor. Seiner Stimme haftete ein unangenehm jammernder Tonfall an. Auch er hatte grässliche Angst, das spürte Susan. Mit dem braven Pfarrer, den sie seit ihrer Kindheit kannte, hatte der Gottesmann jedenfalls nichts mehr zu tun.
»Warum?«, wollte Susan wissen. Immer noch hielt Robert sie erbarmungslos fest, doch für Sekunden vergaß sie ihre Angst. Sie wollte wissen, was den Landpfarrer antrieb. Im Gegensatz zu den übrigen Bewohnern von Morley schien er jedenfalls noch Herr seiner Sinne zu sein. »Sagen Sie es mir, Reverend!«
Dieser leckte sich unruhig über die Lippen.
»Er störte«, erklärte er dann. »Wenn ich zugelassen hätte, dass er weiter herumschnüffelt, hätte er nur für Unruhe gesorgt.«
Er warf Susan einen um Verzeihung heischenden Blick zu.
»Bald schon wird alles in Morley wieder seinen gewohnten Gang gehen«, ließ er wissen. »Vertrau mir einfach, Kind!«
Susan glaubte, nicht richtig zu hören. Und auch Reverend Boyle schien an seinen eigenen Worten zu zweifeln. Sie konnte es in seinen Augen lesen.
»Was geht im Dorf vor?«, fragte sie. »Was ist mit all den Leuten geschehen? Niemand ist mehr normal in Morley!«
Susan hörte selbst, wie sich die Panik erneut in ihre Stimme zu schleichen begann. Sofort wurde Roberts schraubstockartiger Griff wieder fester. Mühsam zwang sie sich zur Ruhe.
»Die Hexe hat alle in ihren Bann geschlagen«, erklärte der Reverend mit brechender Stimme.
Susan traute ihren Ohren nicht. Die Hexe? Meinte er etwa die geheimnisvolle Nackte, die Robert besucht hatte? Ja, so musste es wohl sein.
»Hexen gibt es nicht«, sagte sie dennoch. »Sind Sie etwa auch verrückt geworden, Reverend?«
Der Pfarrer ließ ein schweres Seufzen hören.
»Ich wollte, es wäre so, mein Kind«, erklärte er dann. »Das Böse ist sehr real und greifbar. Hexen existieren. Sie sind vielleicht nicht so, wie du sie aus deinen Kinderbüchern kennst, aber es gibt sie. Daran darfst du niemals zweifeln.«
Susan schüttelte stumm den Kopf, doch schon fuhr der Reverend fort. Dabei deutete er hinter sich auf das baufällige kleine Haus.
»Eine von diesen bösen Frauen lebt hier, in unserer Mitte«, ließ er wissen.
Susan Blakely erinnerte sich daran, dass hier in den Wäldern eine alte Einsiedlerin lebte. Dayna Atkins, so lautete ihr Name wohl. Aber die hatte schon seit Jahren niemand mehr zu Gesicht bekommen. Wenn man dem Pfarrer Glauben schenken durfte, schien dies hier wohl ihr altes Haus zu sein.
Wieder antwortete sie mit einem Kopfschütteln. »Die muss doch längst tot sein«, vermutete sie. Das Haus wirkte, als sei es schon vor vielen Jahren dem Verfall preisgegeben worden.
Und dann spürte Susan, wie ihr plötzlich eiskalt wurde.
Hatte Robert die geheimnisvolle Nackte nicht ebenfalls Dayna genannt?
»Sie ist nicht tot«, unterbrach der Pfarrer ihren ungeheuerlichen Gedanken. »Ganz im Gegenteil, mein Kind! Sie ist wieder jung, jung und mächtig. Der böse Feind hat sie gestärkt, auf dass sie erneut das Böse unter uns verbreitet …«
Der alte Reverend wollte noch etwas anfügen, doch plötzlich zuckte er zusammen. Mit einem Mal schien er um mehrere Zentimeter zu schrumpfen. Aus geweiteten Augen blickte er auf einen Punkt hinter Susan.
Angestrengt versuchte
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