1852 - Die Galornin
von Gegenständen und die Zornesschreie von drinnen hörten, hatten sie Gewißheit.
*
Kaif war in ihrem Zimmer und wollte mit niemandem sprechen. Sie starrte nur stur an die Decke oder’ schnitt dann und wann eine Grimasse.
„Es wird immer schlimmer", sagte Preesther zu seiner Partnerin, als sie den großen Wohnraum einigermaßen gut aufgeräumt hatten. Kaif hatte kostbare Vasen zerschlagen und Wandgewächse einfach heruntergerissen. „In einem Augenblick spielt sie ganz friedlich, und dann, beim geringsten Anlaß, beginnt sie zu toben. Sie ist nicht mehr zugänglich. Vielleicht ... denkt sie jetzt gerade daran, wie sie uns am besten umbringen könnte."
Es war eine maßlose Übertreibung, das brauchte die empörte Mutter ihm nicht zu sagen. Aber irgendwo, tief im Inneren, fragte eine Stimme, ob es nicht doch so sein könne.
„Wir haben sie nur noch für zehn Jahre", tadelte Kaal ihren Partner. „Dann wird sie in die Stadt der Kinder gebracht werden. Und sollten wir sie nach den dreißig Jahren dort Wiedersehen, dann wird sie nicht mehr so sein wie jetzt."
„Zum Glück nicht", sagte Preesther.
„Aber sie wird vielleicht innerlich eine ganz andere Galornin sein, nicht mehr unsere Tochter", protestierte Kaal.
Natürlich war das zu befürchten.
Die Galornenkinder waren - aus der Sicht ihrer Eltern - kleine Ungeheuer. Natürlich liebten sie sie trotzdem und begegneten ihren Ausbrüchen von Haß und Zerstörungswut mit viel Verständnis und Geduld. Das wurde um so schwerer, je älter und wilder das Kind wurde.
Dann, meist mit zwanzig, kam es in die Stadt der Kinder, wo es bis zum fünfzigsten Lebensjahr erzogen wurde. Am Ende dieser Zeit mußte es zu dem Drachen hinab, und was dort geschah, war tabu. Niemand redete darüber. Wenn dann allerdings die ehemaligen Kihder wieder in der großen Stadt auftauchten, dann waren sie kuriert und so wie alle Erwachsenen friedlich und in sich gekehrt.
Was sie dazwischen erlebten, darüber wurde auch nicht mehr gesprochen. Jeder Erwachsene schleppte die Erinnerung daran sein Leben lang mit sich. Es war zu grauenvoll, als daß sie’ es je würden vergessen können.
Denn jeder Erwachsene hatte irgendwann im Gestern dieses Grauen erlebt. Der Preis für das Leben in Würde und Frieden war sehr, sehr hoch.
Manche Galornenkinder waren an dieser Schranke vom Kindsein zum Erwachsenen im Spiel mit dem Drachen seelisch und körperlich zerbrochen und gestorben. Dies konnte jedem passieren. Und oft, so hieß es hinter vorgehaltener Hand, traf es die vorher Stärksten.
„Sie wird immer unsere Tochter bleiben", sagte Preesther und setzte sich zu Kaal auf den Boden. Er berührte tröstend ihre Hand. „Und ich bin sicher, wir werden einmal stolz auf sie sein."
Ein Aufschrei antwortete ihm.
Kaif kam aus ihrem Zimmer gerannt und lief hinaus in den Garten, wo sie vorhin ihre ganz persönliche Niederlage im Wettkampf mit dem Bassin erlitten hatte. Ihr Zorn brauchte immer noch ein Ventil und verschaffte es sich, indem sie sich aus der kleinen Werkstatt ihres Vaters einen leichten Handdesintegrator holte und damit das tat, was Preesther niemals in den Sinn gekommen wäre.
Sie verwendete das Werkzeug als Waffe! Sie schoß in die blühenden Büsche hinein, in die ganze Freude ihrer Mutter, und hörte auch nicht auf, als vom Nachbarhaus her zurückhaltender Protest laut wurde. Im Gegenteil sie tat .das Unfaßbare und zielte mit dem Desintegrator auf den Nachbarn.
Preesther erreichte sie gerade noch rechtzeitig und ließ sich auf sie fallen. Halb begrub er das Kind unter sich. Er entwand ihr das Werkzeug, bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnte.
Noch mehr?
Für Kaifs Mutter war es ein furchtbarer Schlag, ihre Pflanzen sterben zu sehen. Es war Leben, alles war Leben. Alles gehörte zur gleichen Schöpfung, aus der sie alle kamen und in die sie alle zurückkehren würden.
Ein Anschlag auf diese Schöpfung war das Abscheulichste, was sich ein Galorne vorzustellen vermochte.
Pflanzen, Tiere, Galornen und die anderen lebenden Wesen draußen in Plantagoos Sternenwüsten - alles war eins, eines lebte für das andere in einem immerwährenden Kreis.
Es war Preesther Doorn noch niemals so schwergefallen wie an diesem Tag, seiner Tochter zu vergeben und sie zu trösten, statt zu bestrafen. Galornen straften nicht - es sei denn, es blieb kein anderer Ausweg mehr im Interesse des Ganzen Großen.
Und das lag lange zurück.
Sie schickten Kaif an diesem Tag früh zu Bett und
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