1852 - Die Galornin
Preesther geseufzt, und in diesem Moment mit ihr gebrochen.
Jeder erwachsene Galorne verfügte über ein immenses Maß an Geduld und Verständnis, antwortete auf Haß mit Liebe und mit Gebeten auf Flüche und Verwünschungen.
Doch was Kaif getan hatte, war wie ein Mord an einem von ihnen. Sie hatte es wieder im Zorn getan, doch das war angesichts ihrer allen ethischen Grundsätzen hohnsprechenden Rechtfertigungsversuche keinerlei Trost.
Preesther Doorn begriff, daß er ein Monstrum gezeugt hatte, eine Bestie. Vielleicht war dies die Strafe für die Umstände, unter denen die Zeugung stattgefunden hatte.
Es gab Tage während des langen Wartens auf jenen Tag, an dem Kaif in die Stadt der Kinder gebracht wurde, an denen der Galorne alleine im Garten seines Hauses saß und stundenlang schweigend in den Himmel blickte.
Dann sah er die landenden und startenden Raumschiffeim Süden, und er fragte sich mehr denn je, was der immens angestiegene Raumschiffsverkehr auf Helter Baaken zu bedeuten hatte.
Eine neue Zeit ...
Und einmal ertappte er sich angesichts Kaifs beispielloser Taten dabei, sich zu fragen, ob die neue Zeit vielleicht etwas mit Kaif zu tun haben könnte - oder umgekehrt Kaifs furchtbare Entwicklung mit der neuen Zeit, was immer sie zu bedeuten haben mochte.
Endlich kam der Tag, und Kaif Chiriatha wurde zur Stadt der Kinder gebracht, um dort für die nächsten dreißig Jahre zu leben und zu lernen.
Preesther, der diesen Augenblick so sehr herbeigesehnt hatte, brach neben seiner Partnerin zusammen.
Es war das einzige Kind. Er hatte es nicht geschafft, ihm seine destruktiven Triebe zu nehmen. Vielleicht war alles, was geschehen war, nur seine Schuld.
In dem Moment, als Kaif von ihm geführt wurde, hatte er bereits begonnen zu sterben.
Kaal zeigte ihm bis auf seine letzten Tage nie, was Kaif für sie beide als letztes Andenken hinterlassen hatte.
Es war eine Zeichnung aus ihrer Hand. Sie zeigte einen Galornen, der andere Wesen tötete, die hilflos vor ihm knieten.
Und Kaif war eine begabte Zeichnerin.
Der Galorne mit der todbringenden Waffe in der Hand, das war sie.
Die Stadt der Kinder (2) Als Kaif dreißig Jahre alt wurde, beging sie diesen Tag ganz allein mit Dauw. Ihre Freundschaft hatte sich in den Jahren noch vertieft. Sie brachten die Stunden des theoretischen Unterrichts in der Schule ohne große Aufmerksamkeit hinter sich und absolvierten die vorgeschriebenen praktischen Übungen in den unter der Oberfläche gelegenen Anlagen.
Die Erzieher sprachen nicht mehr viel mit ihnen. Die anderen Kinder mieden sie. Dauw litt darunter, Kaif nicht. Sie fühlte sich allen anderen überlegen, je älter sie wurde und je besser sie das System durchschaute.
„Es ist ganz einfach", sagte sie oft zu Dauw, wenn die Freundin wieder einmal zu grübeln begann. Dauw war sehr introvertiert geworden und damit der krasse Gegensatz zu Kaif Chiriatha. Ihre Ansichten waren hingegen mittlerweile die gleichen und machten sie zu so etwas wie Ausgestoßenen. Kaifs Intelligenz und überzeugender Aura hatte sich das Mädchen mit der künstlichen Hand auf Dauer nicht widersetzen können. „Es funktioniert völlig simpel. Unsere Eltern lassen uns mit unseren Gefühlen und dem, was wir tun, gewähren.
Wenn wir dann hierhergebracht werden, versuchen die Erzieher, diese Gefühle so zu kanalisieren, daß wir uns nicht gegenseitig umbringen, sondern unsere Energien durch Lernen, Entdecken und ‘Leistungen abbauen. Sie dürfen uns bis zu einem bestimmten Grad bestrafen, aber ihre Grenzen sind eng. Sie bestehen aus ihrer großen Friedfertigkeit und Toleranz. Über diesen Schatten können auch die Erzieher nicht springen. Niemals dürften sie Gewalt gegen uns ausüben. Wenn du das einmal begriffen hast, kannst du mit ihnen machen, was du willst.
Dann hast du sie in der Hand. - Laß es sie nur niemals merken."
Das war ihr Leitsatz, und danach lebte sie in der Stadt der Kinder.
Kaif Chiriatha war durch ihre Arroganz, ihre Durchtriebenheit, ihre Boshaftigkeit und ihre Intelligenz über die anderen erhaben. Das isolierte sie, das machte sie mittlerweile fast unangreifbar. Sie fühlte sich wohl bei dem Gedanken, daß die Erzieher vielleicht sogar bereits Angst vor ihr hatten.
An diesem Tag, als ihre Pflichten getan waren und ihnen niemand vorschreiben konnte, wie und wo sie ihre Freizeit in der Kinderstadt verbringen sollten, führte Kaif Dauw zum Schacht des Drachen.
Dauw hatte zuerst nicht gewollt. Sie fürchtete diesen Ort und
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