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1852 - Die Galornin

Titel: 1852 - Die Galornin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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war nur ein einziges Mal dort gewesen, als die Erzieher den Schülern das Gelände rings um den Schacht und die Umzäunung zeigten. Damals hatten sie zum erstenmal mit den Kindern darüber geredet.
    Doch Kaif hatte es sich von Dauw gewünscht, und sie überwand sich tapfer.
    Sie wirkte bedrückt. Kaif spürte, daß es nicht nur wegen des Drachen war. Schon seit einiger Zeit fühlte sie diese Angst bei ihrer einzigen Freundin, doch Dauw sprach nicht über das, was an ihrer Seele nagte.
    Sie brauchten zu Fuß etwa eine halbe Stunde bis zu dem riesigen Platz ohne Häuser und Bäume oder Büsche. Nicht einmal Rasenflächen gab es hier, nur weiße Steinplatten mit seltsamen Mustern rund um die hohe Mauer, die den Schacht umgab und nur die berühmte Energiepforte als Durchbrechung besaß. Die Pforte war dabei so undurchsichtig wie die Mauer selbst sehr zum Leidwesen von Kaif Chiriatha.
    Eine terranische Vermessungssonde hätte den Durchmesser der Ringmauer mit rund 150 Metern ermittelt und den des dahinterliegenden Schachts mit siebzig. Doch Kaif besaß keine Sonde, obwohl sie auch daran bereits gedacht hatte. Theoretisch hätte sie sich unten in den Anlagen und Werkstätten leicht ein solches Fluginstrument zusammenbauen können. Das Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten dazu hatte sie längst.
    Allerdings kontrollierten die Erzieher und Erzieherinnen peinlich genau alles, was die Schüler unier der Erde fabrizierten, bevor sie es als Zeugnis ihres Fleißes und ihrer Talente mit ans Tageslicht nehmen durften.
    Kein älterer Schüler konnte sagen, wie es hinter dieser hohen Mauer aussah. Wer einmal durch die Pforte getreten war, kehrte niemals zurück, um zu berichten.
    Es war wie mit dem Tod.
    „Es ist kalt", sagte Dauw leise, als sie so nahe an der Mauer standen, daß sie sie berühren konnten, was sie natürlich nicht taten.
    Kaif hatte es einmal versucht, nur mit dem Finger. Der Schock hatte ihr zwei Wochen lang zu schaffen gemacht.
    „Ich friere", flüsterte Dauw.
    Dabei rieb sie sich die eng an den schwächen Körper gedrückten Arme. Allerdings fiel Kaif auf, daß sie vom rechten Arm nur die Handprothese bewegte und manchmal zusammenzuckte, wie unter einem plötzlichen Schmerz.
    Noch war die Faszination dieses Ortes zu groß, als daß sie weiter darauf geachtet hätte.
    „Ich gäbe alles dafür, ihn zu sehen", sagte sie mit glänzenden, kalten Augen. „Den Schacht, den Drachen. Spürst du ihn auch? Spürst du die Macht hinter diesen verdammten Mauern, meine Seele?"
    Unbewußt gebrauchte sie die Anrede, die normalerweise nur zwischen Mann und Frau oder Eltern und Kind gebräuchlich und Ausdruck größter Zärtlichkeit war. Sie tat es oft.
    „Ich spüre, daß mich die Kälte zerfrißt", sagte Dauw. Sie sah an Kaif vorbei und lachte trocken auf. „Da, sieh, am Rand des Platzes."
    Kaif drehte sich um und sah einen der Erzieher, die hier immer präsent waren, entweder offen oder versteckt.
    „Und?" fragte sie. „Glauben sie, daß eine von uns versucht, über die Mauer zu klettern? Das ist unmöglich, sie steht ebenfalls unter Energie." Sie stieß einen derben Fluch aus. „Schockenergie! Wenn das keine Gewalt gegen uns Schüler ist! Man sollte diese verlogenen ... !"
    „Ich meine ihn dort", sagte Dauw und packte sie, an den Schultern, drehte sie um dreißig Grad, bis sie den Jungen sah.
    Jetzt kam er langsam auf sie zu. Er trug etwas in den Händen.
    „Lopt Zadheven!" zischte Kaif haßerfüllt. „Verdammter Lopt! Was will er hier, ausgerechnet jetzt?"
    Sie hatte ihn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Seda Golaer hatte Lopt in einen anderen, entfernten Bezirk der Kinderstadt geschickt, nachdem es zwischen ihm und Kaif endlich zum unvermeidlichen offenen Kampf gekommen war, und zwar mitten im Unterricht. Lopt hatte sie, nach stundenlangen Provokationen von ihrer Seite, mit einer Säure angegriffen und ihr Gesicht nur knapp verfehlt.
    Da konnte selbst die Schulleiterin nicht mehr anders, als die Konsequenzen zu ziehen. Vorher hatte sie immer und immer wieder beide Augen zugedrückt, wenn Lopt und Kaif darum wetteiferten, wer von ihnen der Abgeklärteste, Beste, Gescheiteste sei, und jeder dem anderen dabei schadete, wo es nur ging. Getreu der Erzieherphilosophie vom Lernen durch Konkurrieren tolerierte sie das, freute sich womöglich noch an den „Erfolgen" beim gegenseitigen Übertrumpfen.
    „Das kann nichts Gutes bedeuten", warnte Dauw. „Er kommt bestimmt nicht, um dir zu gratulieren."
    „Nein",

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