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188 - Der lebende Nebel

188 - Der lebende Nebel

Titel: 188 - Der lebende Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Leiche einer Köchin, die wohl den Fehler begangen hatte, sich dem wütenden Burschen in den Weg zu stellen.
    Seinem Gefühl nach hatte er sie nur eine Sekunde angeschaut, doch als er den Blick hob, hatte sein Gegner schon ein Küchenbeil an sich gerissen.
    Rulfans Schwert flog hoch. Er wehrte den ersten Hieb ab und versetzte dem Malaien einen zweiten Tritt – diesmal an einer besonders empfindlichen Stelle. Der Kerl knickte zusammen wie ein Taschenmesser. Keine Sekunde zu früh: Hinter Rulfan flog eine Tür auf, und ein zweiter Malaie drang mit wilden Schreien und einem Säbel auf ihn ein.
    Rulfan ließ seine Waffe kreisen. Er wich zurück und rief Victorius’ Namen. Keine Antwort.
    Während ihre Klingen aufeinander krachten und Funken flogen, brüllte der Neuankömmling seinen wimmernden Genossen an, sich zu erheben. Als er sich wieder hoch gekämpft hatte, spuckte er etwas aus, das wie eine Zunge aussah. Erst danach erkannte er, was er sich abgebissen hatte.
    Er vergaß den Schmerz in seiner Körpermitte, fing wie irre an zu kreischen und stürzte sich auf Rulfan – im selben Moment, in dem sein Kumpan den Säbel auf den Albino herab fahren ließ.
    Die grenzenlose Wut des Mannes führte dazu, dass er jede Vorsicht fahren ließ und seinem Bruder ins Eisen rannte. Der Säbel blieb im Knochen seines Schädels stecken. Waffe und Mann krachten gleichzeitig zu Boden. Der fassungslose Täter wankte – mit leeren Händen und bleicher Miene – zurück.
    Rulfan versetzte ihm den Todesstoß.
    Jetzt war nur eins wichtig: Wo steckte Victorius? Wo waren Kapitän Kaoma und der vierte Mann abgeblieben?
    Rulfan riss alle Türen auf, die aus der Gaststube führten.
    Hinter der dritten stieß er auf eine Treppe, die nach oben führte. Rulfan verharrte kurz, um zu lauschen, konnte jedoch nichts vernehmen.
    Wie eine Katze huschte er die Stiege hinauf. Hier knarrte kein Holz. Zum Glück war die Insel so zivilisiert, dass man Öllampen kannte. Im Halbdunkel sah er einen Korridor vor sich, von dem etliche Türen abgingen. Wenn Victorius schlau war, hatte er sich hinter einer davon versteckt, anstatt sich vier wütenden Männern entgegen zu stellen, die dem Glauben verhaftet waren, man könne eine Ehre verteidigen, indem man Menschen umbrachte.
    Er wollte gerade Victorius’ Namen rufen, als sich von hinten ein Arm um seinen Hals legte.
    Rulfan wandte einen alten Trick an: Er ging in die Knie.
    Der Arm des Angreifers griff ins Leere, während Rulfans Ellbogen sich in seinen Magen grub. Nun ging er in die Knie.
    Gleichzeitig sprang Rulfan wieder hoch und herum und setzte, um keinen übermäßigen Lärm zu machen, die geballte Linke ein. Sie landete auf dem Kinn seines Gegners, zwischen dessen Nasenlöchern ein goldener Ring verankert war.
    Sein Hinterkopf schlug den Mörtel aus der Wand, worauf er die Augen verdrehte und für heute den Abschied einreichte.
    Rulfan fluchte stumm und pirschte weiter durch den Gang, wobei er in jeden Raum hinein lugte. Hinter der siebten Tür hörte er jemanden nach Luft schnappen und keuchen. Rulfan hielt den Atem an und lauschte. Zuerst vernahm er nur das Pochen seines Herzens, dann ein Knarren, als sei jemand im Begriff, sein Gewicht zu verlagern, gefolgt von einem gezischten Fluch; offenbar eine Frauenstimme!
    Rulfan huschte lautlos ein Stück zurück zur sechsten Tür und schaute konzentriert in den Raum hinein. Durch ein offenes Fenster leuchtete silberhell der Mond. Am Mobiliar konnte man erkennen, dass es ein unbewohntes Gästezimmer war.
    Rulfan trat ans Fenster, schaute hinaus und versuchte einen Blick in den Nebenraum zu werfen.
    Der Mond unterstützte seinen Plan. Doch das, was er sah, machte ihn nicht froh: Victorius stand mit erhobenen Händen und einem angesichts seiner Lage fragwürdigen Lächeln an der Wand. Einer von Liwáns Brüdern ragte vor ihm auf. Die Spitze eines Säbels rieb sich etwas zu heftig am Adamsapfel des afrikanischen Luftschiffers.
    In der Nähe der beiden rangen zwei langhaarige Gestalten miteinander. Es dauerte einige Zeit, bis Rulfan erkannte, dass die eine Gestalt Liwán die Schöne war, und die andere, die sie am Haupthaar festhielt und zähnefletschend mit einem Dolch bedrohte, ihr Bruder: Kapitän Kaoma Saleh.
    Rulfan liebte solche Typen! Dass Kaoma, das Oberhaupt der Familie, Saleh, seine Schwester, wie ein Stück Vieh behandelte, war bezeichnend. Dass Victorius gute Miene zu diesem bösen Spiel machte, war unfassbar. Er stand da, als wäre das alles nur ein

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