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188 - Der lebende Nebel

188 - Der lebende Nebel

Titel: 188 - Der lebende Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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hatten. Die Verschnürung hatte sich gelöst. Einige Flaschen waren heraus gerutscht und lagen auf dem Boden.
    Eine war zerbrochen. Flüssigkeit versickerte zwischen Pflastersteinen. Der Mann, der daran Schuld hatte, musterte verlegen Kaomas Männer, die sich vor ihm aufbauten.
    »Das gibt Ärger«, hörte Rulfan Yonniboi murmeln. Und dann: »Wieso können diese blöden Hunde nie warten, bis sie dran sind?«
    Kaoma knurrte einen Befehl. Seine Leute stürzten sich auf den Mann mit dem Turban und rissen ihn hoch. Der Mann schrie verängstigt. Die seinem Mund entströmende Wörterflut hielt Rulfan für tausend Versprechen, dies und anderes nie wieder zu tun. Doch die Seeleute scherten sich einen Dreck um sein Gewinsel: Zwei Mann hielten ihn fest; der dritte schlug ihn nach allen Regeln der Kunst zusammen, ohne sich freilich an irgendwelche Regeln zu halten.
    Rulfan biss die Zähne zusammen. Wahrhaftig ein Paradies, diese Insel…
    Nachdem die Schläger ihr blutendes Opfer unter rohem Gelächter ins Hafenbecken geworfen hatten, drehte Kaoma sich um. Sein Blick traf Rulfan, und er schien zu sagen: So ergeht es allen, die mir keinen Respekt erweisen. Der Albino wandte sich zu Yonniboi um. »Du hast Recht. Gehen wir. Hier ist es wirklich zu ungesund.«
    ***
    Was das Getränk, das Kapitän Kaoma Saleh den Insulanern verkaufte, mit dem menschlichen Geist anstellte, hatte Rulfan am eigenen Leib erfahren. Dazu kam, dass die vom Alk Abhängigen jedes Risiko eingingen, um dem depressiven Grau der Wirklichkeit zu entgehen, auch wenn es sie die Gesundheit oder gar das Leben kostete.
    »Grindrim macht einen zwar nicht zum körperlichen Wrack«, sagte Yonniboi, als sie am Tresen seines Muschelrestaurants standen, »aber wenn man sein Privatparadies nicht mehr verlässt, verliert man den Kontakt zu seiner Umgebung: Wenn man glaubt, man könne das Gras wachsen hören, und einem der Glanz der Sterne wichtiger ist als seine Freunde. Und je länger man Grindrim konsumiert, umso depressiver wird man, sobald der Rausch nachlässt…«
    Rulfan erschrak, als er seine eigenen Empfindungen der Nacht und des Morgens wieder erkannte. »Wo kommt das Zeug überhaupt her?«, fragte er, während er zu Kaoma hinüber sah. Der Kapitän war nicht fern: Die Muschelbraterei, an deren Tresen heute viel Betrieb herrschte, lag ein Stück höher, sodass man den Platz vor dem Katamaran gut überblicken konnte.
    Fast alle, die nach dem Zwischenfall mit dem Süchtigen zurückgewichen waren, hatten sich wieder versammelt und warteten in einer Schlange darauf, dass sie an die Reihe kamen.
    Alle hatten nur ein Ziel: Sie wollten die grünen Flaschen kaufen, die Kaoma anbot. Der Kapitän stand an Deck und brüllte Männer zusammen, die vor ihm strammstanden.
    »Kaoma Saleh hat das Monopol auf Grindrim«, sagte Yonniboi. »Niemand weiß etwas Genaues, aber die Gerüchte besagen, dass seine Familie das Zeug auf einer Insel braut, deren Position geheim ist.« Er hob seine Schultern. »So weit ich weiß, hat er sechs Brüder und ein Heer von Vettern, die alle in seinen Diensten stehen. Er ist oft lange unterwegs, aber hier ist seine Basis. Auch deswegen, um seine Schwester im Auge behalten zu können. Er will um jeden Preis verhindern, dass sie sich mit einem Langswoyn einlässt.« Er kicherte. »Bei der Definition eines Langswoyn ist Kaoma sehr tolerant: Darunter fällt, ungeachtet der Hautfarbe, der Religion und der Frisur alles, was keine mandelförmigen Augen hat.«
    »In der Tat, ein toleranter Mensch.«
    Kaoma und drei Begleiter stolzierten über die Gangway an Land. Der Mann, der zurückblieb, hielt mürrisch Maulaffen feil.
    »Fushido, der zweitjüngste Bruder« , sagte Yonniboi. »Er hat wohl das kürzeste Hölzchen gezogen und muss die Bordwache mimen.«
    »Kennst du auch Kaomas Schwester?«, fragte Rulfan.
    »O ja!« Yonniboi nickte. »Du kennst sie auch! Sie heißt Liwán und…«
    Rulfan und Yonniboi schauten sich an. Rulfan spürte, dass er bleicher wurde, als er sich fühlte. »O nein!«, ächzte er.
    »Ich fürchte doch.« Yonniboi machte große Augen. »Wudan steh uns bei! Sie werden deinem Freund die Haut abziehen!«
    »Wir müssen es verhindern!« Rulfan stieß sich vom Tresen ab und schaute sich suchend um. »Ich muss ihn warnen! Wie komme ich am schnellsten zu Liwáns Gasthaus?«
    »Komm!« Yonniboi lief ihm schon voraus. Sie umrundeten eine Ecke. Als sie das erhellte Viertel verlassen hatten, deutete er auf einen steilen Hügel. »Du musst den

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